Das gefährliche Spiel der Italiener mit dem Neofaschismus

Die Szene ist gespenstisch und sollte es wohl auch sein. Es ist Nacht, eine Stimme brüllt „Camerata Sergio Ramelli“. Hunderte Männer strecken wie ferngesteuert gleichzeitig ihren rechten Arm nach oben und brüllen gemeinsam „presente!“, anwesend. Ihre Stimmen hallen durch die Nacht. Dreimal wiederholen sie das Ritual. Ein Teilnehmer hält eine italienische Flagge in der Hand. Dann drehen sich die Männer um und bewegen sich langsam davon, als sei nichts gewesen. Sergio Ramelli war ein italienischer Neofaschist, der 1975 von Linksextremisten in Mailand tödlich verletzt wurde und Tage später starb. In Andenken an ihren „Kameraden“ versammelten sich vergangenen Dienstag Mailänder Neofaschisten zu ihrer Zeremonie. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Benito Mussolini bei einem seiner zahlreichen Auftritte.

In Italien handelt es sich bei den Aufmärschen nicht mehr um ein außerordentliches Ereignis. Anders als in Deutschland ist der Faschismus in Italien seit jeher weniger tabuisiert und analysiert. In Rom beispielsweise sind oft Hakenkreuz-Schmierereien oder antisemitische Parolen auf Hauswänden zu sehen. In den letzten Wochen ist allerdings eine Häufung von Versammlungen und Machtdemonstrationen der Ultrarechten im Land auszumachen. Politischen Beobachtern zufolge begünstigt das von der rechten Lega geprägte politische Klima im Land eine Renaissance des Neofaschismus in Italien.

Sprechchöre und faschistische Grüße im Zentrum von Mailand

Nur eine knappe Woche zuvor leisteten sich als Fußballfans verkappte Nostalgiker eine schwere Provokation. Am Vorabend des 25. April, der in Italien als Jahrestag der Befreiung von der Naziherrschaft gefeiert wird, stellten sich etwa 60 italienische Neonazis mit einem Spruchband in unmittelbarer Nähe der Mailänder Piazzale Loreto auf, wo die Leiche des faschistischen Diktators Benito Mussolini 1945 von Partisanen mit den Füßen nach oben aufgehängt worden war. Die für rechtsradikale Aktionen bekannten Ultras von Lazio Rom, die für ein Pokalspiel nach Mailand gereist waren, hielten zusammen mit Fans von Inter Mailand ein Spruchband in den Händen mit der Aufschrift „Onore a Benito Mussolini“ (Ehre für Benito Mussolini). Auch damals folgten Sprechchöre und faschistische Grüße, am Nachmittag Mitten im Zentrum von Mailand.

Titelbild: Tgcom24 – Mediaset Play

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