Das “Neue Hambacher Fest” und die sanfte Rechte

Das neue „Hambacher Fest“ ist nicht der erste Versuch, Extremisten salonfähig zu machen. Der Hass versteckt sich hier gut zwischen lauter netten Rednern.

Zuweilen wäre es nur allzu interessant, sich in den Kopf eines anderen Menschen zu begeben. Etwa in den des Mannes, der am frühen Abend des 7. Juni unweit des Hambacher Schlosses frisch verheiratet am Wegesrand steht. Neben ihm lächelt seine Frau, in Weiß. Sie sieht, auf den ersten Blick, biodeutsch aus, er nicht. Über ihnen zieht der Himmel zu, dramatisch Schwarzblau, als hätte er zeitnah was vor.

Dann kommt Deutschland. Deutschlandfahnen, Deutschlandhüte, Deutschlandbegeisterung. Schwarzrotgold überall. Mehrere hundert Menschen ziehen vorbei, Frauen und Männer, von denen einer wenige Minuten zuvor einem anderen ohne jede Ironie in seiner Stimme erzählt hat, dass Muslime die Leichname ihrer Gattinnen penetrieren würden, „bis fünf Jahre nach deren Tod machen die das!“

So schaut der Bräutigam auf diese Prozession wie ein Mann, der zum ersten Mal länger als fünf Minuten in seinem neuen Haus verbringt und merkt, dass die nahe Bahnstrecke entgegen anders lautender Versprechen noch in Betrieb ist. Alles wackelt, ruckelt, scheppert. Worauf habe ich mich da eingelassen?

Im zweiten Jahr hintereinander steigt an diesem Tag das „Neue Hambacher Fest“. Neben der „Patriotenwanderung“ zum Schloss besteht es aus dem „Kongress für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“, der tags darauf stattfindet. Initiator der Veranstaltung ist Max Otte. Fondsmanager, CDU-Mitglied und AfD-Sympathisant, der auch die AfD-nahe Erasmus-Stiftung leitet. „Wenn das, was wir hier machen, Rechtspopulismus ist, dann ist es das eben!“, ruft Otte seinen Mitstreitern dieser Tage einmal zu. Stürmischer Applaus.

Es ist eine schwierige Frage, was genau Otte und seine Leute in der Pfalz treiben. Sicher ist, dass sie sich ständig auf das historische Hambacher Fest 1832, Höhepunkt des bürgerlichen Widerstands gegen die Restauration, beziehen, es kapern. Sicher ist ebenfalls, dass viele eine innige Beziehung zu ihrem Vaterland pflegen, vorzugsweise als Flagge mit sich geführt. Kaum 20 Meter kann Patriot oder Reporter laufen, ohne Deutschland in die Fresse zu kriegen.

Die Mitläufer selbst erklären während der Wanderung, dass sie die Freiheit verteidigen wollen, vor allem die Redefreiheit. Die sei akut bedroht, nämlich von links. Hin und wieder nutzen sie ihre Redefreiheit dann eben zu solchen Beiträgen wie dem über nekrophile Muslime, aber die meisten wirken insgesamt doch zurechnungsfähig.

Einer der Polizisten, die die Wanderung absichern, lässt sich allerdings von all der Freiheit einmal mitreißen, erzählt gut hörbar und gelaunt: „Also wenn ich Wahl-O-Mat machen würde, also die Partei, die ich wählen müsste, die ist seit 40 Jahren verboten!“ Der Polizist lacht, sein Gesprächspartner im schwarzrotgoldenen Anglerhut lacht.

Jetzt könnte man einwenden, dass sowohl die sehr linke KPD als auch die sehr rechte SRP, Nachfolgerin der NSDAP, bereits in den 50‘er-Jahren verboten worden sind. Und sowieso könnte man sagen, dass der Wunsch nach heimeliger Nation so aus der Zeit gefallen ist wie Tennissocken in Sandalen. Man könnte diese Deutschtümmler also alle für Witzfiguren halten. Aber so einfach ist es eben nicht.

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