Eine Politikerin der AfD hat für einen rechtsextremen Verein geworben. Der trifft sich in einem Rittergut in Thüringen.
Doris von Sayn-Wittgenstein kann sich nicht erinnern, schon einmal in ihrem Leben so geweint zu haben wie am 28. November des vergangenen Jahres. Es war der Tag, an dem ihre Karriere als AfD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein ein abruptes Ende fand. Die Zeitung „Die Welt“ hatte belegt, dass sie im Jahr 2014 in einem Blogeintrag Werbung für den Verein „Gedächtnisstätte“ gemacht hatte, der Antisemiten und Geschichtsleugnern ein Forum bietet. Eine Woche dauerte es, und sie war aus der Landtagsfraktion ausgeschlossen; drei Wochen später beantragte der Bundesvorstand ihren Parteiausschluss; zwei Tage danach trat sie als Landesvorsitzende zurück.
„Ich habe wirklich nur geweint“, sagt sie. Politisch betrachtet, hat Sayn-Wittgenstein seit diesem Tag alles verloren, nur das Abgeordnetenbüro mit den lilafarbenen Vorhängen im Kieler Landtag nicht. Geschmückt ist es mit einem farblich zu den Gardinen passenden Art-brut-Gemälde einer an Schizophrenie erkrankten Künstlerin, mit Gemälden von Araberhengsten, die sie liebt, und mit Fotos von Hunden, die sie abgemagert aus dem Tierheim gerettet hat: ein Mastiff und ein Mastino Napolitano. Sayn-Wittgenstein ist unschuldig, daran glaubt sie fest.
Mittlerweile scheinen sich auch die Schiedsrichter der Partei in diese Richtung zu neigen. Kürzlich zerpflückten sie in einem Schreiben die beiden Hauptanklagepunkte. Erstens: Der Bundesvorstand hatte Sayn-Wittgenstein vorgeworfen, Mitglied in dem rechtsextremen Verein „Gedächtnisstätte“ gewesen zu sein. So hatte es Sayn-Wittgenstein gegenüber der Fraktion erst gestanden und später wieder geleugnet. Die Richter konterten mit einem Beglaubigungsschreiben des Vereins, wonach Sayn-Wittgenstein nie Mitglied gewesen sei. Damit schien dieser Vorwurf widerlegt.
Zweitens: Der Bundesvorstand hatte eine eidesstattliche Versicherung eines Fraktionsmitarbeiters beigebracht, wonach Sayn-Wittgenstein unter vier Augen die Existenz der Konzentrationslager geleugnet haben soll. Sie soll gesagt haben, es habe die Lager nie gegeben, was man sehe, sei durch die Engländer und Amerikaner „getürkt“ worden. Auch hier hatten die Richter ein Gegenargument parat. Sie konterten, weil Aussage gegen Aussage stehe, sei der Vorwurf nicht bewiesen. Und selbst wenn er belegt würde, schrieben die Richter, verstoße eine Holocaust-Leugnung unter vier Augen nicht gegen Paragraph 130 des Strafgesetzbuches, der Volksverhetzung als etwas definiert, das nur in der Öffentlichkeit begangen werden kann. Wer unter vier Augen den Holocaust leugne, so die Richter, verstoße deshalb nicht „in einem erheblichen Maße gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei“. In der AfD darf man das.
Bild: Screenshot Youtube
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