Frankfurt/Ganderkesee (ots/fs) – Ist die Zivilgesellschaft ein Hort der Demokratie oder ein Einfallstor für rechts? Eine Studie analysiert die “dunkle” Seiten der Zivilgesellschaft. Merke: Die Arbeitswelt, Wohlfahrtsverbände, Kultur, der Sport und die Kirchen sind nicht immun gegen rechtspopulistische Interventionen. Ein AutorInnen-Team fragt nach Themen und Handlungsformen der “Bedrängung von rechts” und die Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) identifiziert Reaktionsmuster von Ignorieren bis aktive Ausgrenzung.
“Wir werden die sogenannte Zivilgesellschaft, die sich aus Steuergeldern speist, leider trockenlegen müssen”, lautete Björn Höckes klare Ansage auf der 200. Dresdner Pegida-Demonstration im Februar 2020. Kurz zuvor hatte die AfD in ihrem Strategiepapier 2019 zum “Marsch durch die Organisationen” aufgerufen, um “sich stärker in der zu verankern.” Dass das kein Widerspruch ist, sondern es sich um zwei Seiten einer Medaille handelt, zeigt jetzt eine aktuelle Studie der OBS. Einerseits versucht die AfD, sich durch Fundamentalkritik an den etablierten zivilgesellschaftlichen Organisationen zu profilieren. Andererseits versucht sie aber auch, in der Zivilgesellschaft Fuß zu fassen.
Unter dem Titel “Bedrängte Zivilgesellschaft von rechts” geht das AutorInnen-Team um den Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schroeder auf der Basis detaillierter Dokumentenanalysen und zahlreichen Interviews der Frage nach, mit welchen Themen und Aktivitäten rechtspopulistischer Druck entwickelt wird und wie die organisierte Zivilgesellschaft auf diese Interventionen reagiert. Am Beispiel von Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen sowie dem organisierten Sport- und Kulturbereich zeigt sich: Rechte Aktivitäten finden in allen Bereichen der Zivilgesellschaft statt und nehmen zu, sind bisher aber nur in wenigen Fällen systematisch angelegt und haben “noch den Charakter eines Flickenteppichs”, wie es im Fazit der Studie heißt.
Gleichwohl wissen rechtspopulistische Akteure um die Bedeutung der organisierten Zivilgesellschaft.
Rechte Akteure zielen darauf ab, bestehende Konflikte innerhalb der untersuchten Bereiche zu politisieren, um sie zu verstärken und thematische Anknüpfungspunkte für ihre politische Agenda zu etablieren.
Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung
Die AutorInnen sprechen in diesem Zusammenhang von “Gelegenheitsfenstern”, die rechte Akteure zu nutzen versuchen: Gewerkschaften werden als multikulturelle “Arbeiterverräter” diffamiert, eine “Asylindustrie” der Wohlfahrtsverbände konstatiert, und den Kirchen wird vorgeworfen, die Werte des christlichen Abendlandes aufzukündigen. Sportverbände werden des Verrats am Nationalsport beschuldigt und der Kulturbereich sei mit seiner linksgrünen Multikulti-Ausrichtung längst zum Handlanger der Politik geworden.
Die zivilgesellschaftlichen Reaktionen auf die Interventionsversuche folgen keinem einheitlichen Muster. Sie bewegen sich zwischen dem Ignorieren rechter Aktivitäten und einer aktiven Ausgrenzung zentraler Akteure. Während sich die meisten Organisationen klar von rechten Inhalten distanzieren, gibt es erhebliche Unterschiede bei der Frage nach konfrontativen Maßnahmen, wie Ausschluss von Mitgliedern oder Kündigungen von MitarbeiterInnen. Insgesamt, so resümiert Wolfgang Schroeder, “gibt es angesichts der Diversität rechter Aktivitäten kein Patentrezept. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen müssen im Einzelfall entscheiden, wie sie angemessen reagieren und zuallererst ihre innerverbandlichen Spannungen bearbeiten.”
Das AutorInnen-Team und die Otto Brenner Stiftung wollen mit der Studie weitere Debatten um einen angemessenen Umgang mit dem Rechtspopulismus in seinen unterschiedlichen Facetten, auch innerhalb der betroffenen Organisationen, anstoßen. Wie die “Hygiene-Demos” bereits angedeutet haben, wird die Corona-Pandemie auch in der Zivilgesellschaft tiefe Spuren hinterlassen, alte Streitpunkte verstärken und neue Konflikte anheizen – und die rechten Akteure werden versuchen, dies für eine neue Welle von Aufmerksamkeit zu nutzen. Es muss deshalb, wie es im Vorwort der Studie heißt, “darum gehen, die organisierte Zivilgesellschaft in ihrer positiven Rolle als Hort der Demokratie zu stärken, damit sie ihren unverzichtbaren Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt auch künftig leisten kann.”
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