Neonazi-Bands treten nicht nur in Thüringen auf

Die „Erlebnisscheune” scheint ihrem Namen alle Ehre zu machen. Hier tritt „Kahlkopf/Der Metzger“ auf. Das, was man auf einer Filmsequenz sieht, die der Journalist Thomas Kuban im August 2018 mit versteckter Kamera aufgenommen hat, ist weniger heimelig als der Name des Hotels „Romantischer Fachwerkhof“, zu dem jene „Erlebnisscheune“ gehört: Im Song „Chaoten“ wird zum Mord am politischen Gegner aufgerufen („Schlagt sie alle tot!“), und das Publikum scheint begeistert mitzugehen. Die Band „TreueOrden“ trägt in einer anderen Szene zu Thüringens Neonazi-Erlebniswelt unter anderem mit einem kräftigen „Sieg heil!“ bei.

Es war im August für den mutigen Journalisten, der unter dem Tarnnamen Thomas Kuban bekannt geworden ist, ein „neuer Anlauf“ nach mehrjährigem Pausieren mit seiner Undercover-Recherche, erzählt der Filmemacher Peter Ohlendorf im Gespräch mit dieser Zeitung. Gemeinsam mit Kuban, der eine Knopflochkamera einsetzt, hatte er eine Dokumentation realisiert, die 2012 auf der Berlinale vorgestellt wurde. Ihr Titel „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“ ist einem antisemitischen Refrain zu verdanken, dem Kuban bei seiner Recherche immer wieder begegnet ist: „Blut muss fließen knüppelhageldick, wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik.“ Die Bilder zu solchen Texten lassen den Bierdunst in dörflichen Saalbauten ahnen, und man sieht auch Ordnungshüter, die mindestens zwei Augen zudrücken.

Jetzt ist Peter Ohlendorf mit seinem „Wanderkino“ wieder auf Tour: Am 23. Januar gastiert der Film in Frankfurt. Und wie unlängst in Berlin wird es eine kurze Einführung und ein Nachgespräch mit dem Filmemacher geben. Im Vergleich zu Sachsen oder Thüringen könne Hessen als Rechtsrock-Land „nicht mithalten“, sagt der Filmemacher süffisant. Aber Büdingen im Wetterau-Kreis war gerade wieder einmal „ein Ort, der heraussticht“. Die NPD hat dort ihren „Neujahrsempfang“ mit den Neonazi-Bands „Lunikoff-Verschwörung“, „Oidoxie“ und „Germanium“ gefeiert. Auf Facebook hatte „Germanium“ den Auftritt als „Auftaktskonzert ins neue Kampfjahr“ angekündigt und wollte „so richtig Gas geben“. „Mit Songs wie ,Terrormachine C18´ bekennt sich die Band offen zum ,Combat 18´-Konzept”, ist im „Antifaschistischen Infoblatt“ über die Band „Oidoxie“ zu lesen. „Combat 18“ – die 18 ist eine Neonazi-Chiffre für Adolf Hitler – wurde ursprünglich als bewaffneter Arm des im Jahr 2000 in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour” gegründet. „Combat 18“ sei ein militärischer Arm, bestätigt Ohlendorf, „wer das ignoriert und einfach so laufen lässt – da fehlen mir die Worte! Die klammheimlich abfeiernde Nazi-Szene ist terroristisch orientiert.“ Dafür gebe es zahlreiche Belege, „zum Beispiel den NSU (Nationalsozialistischer Untergrund), der da groß geworden ist und mitgesungen hat.” Ohlendorf findet es „erschreckend“, dass die Konzertszene „nicht mit allen rechtsstaatlichen Mitteln hart angepackt wird. Die Werkzeuge sind doch da!“ Die Linke in Thüringen versage da nicht weniger als die CSU in Bayern.

Über den Autor

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.