Offener Brief von Claim: Antimuslimischer Rassismus

Angesichts der alltäglichen Gewalt gegen Musliminnen und Menschen, die als solche wahrgenommen werden sowie gegen muslimische Einrichtungen, wenden sich zivilgesellschaftliche Organisationen und Expertinnen aus Wissenschaft, Politik und Praxis in einem offenen Brief an die Bundesregierung und fordern zum Handeln auf.

CLAIM und seine Allianzpartner sowie Akteurinnen aus Wissenschaft und Politik, darunter Prof. Dr. Naika Foroutan (Direktorin BIM und Leiterin DeZIM der Humboldt-Universität zu Berlin), Katarina Niewiedzial (Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration), Christine Buchholz MdB (DIE LINKE), Filiz Polat MdB (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ansprechpartnerin für die Belange des Islam), Claudia Roth MdB (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Ruprecht Polenz (MdB von 1994-2013, CDU), Prof. Barbara John (Vorstandsvorsitzende Der Paritätische Berlin), Prof. Dr. Werner Schiffauer (Kulturwissenschaftler, Ethnologe, Publizist), Prof. Dr. Yasemin Karakasoglu (Universität Bremen, Vorsitzende des Rats für Migration e.V.), Murat Gümüs (Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V.), Aiman A. Mazyek (Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland e.V.), sowie viele weitere unterzeichnende Expertinnen, Organisationen und Netzwerke fordern die Einrichtung einer Expert*innenkommission “Antimuslimischer Rassismus”.

Nina Mühe, Projektleiterin von CLAIM, der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit mahnt: “Wir sind in großer Sorge angesichts der islamfeindlichen und antimuslimischen Einstellungen, die sich in Deutschland seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau befinden. Musliminnen werden aber nicht nur durch islamfeindliche Debatten ausgegrenzt und verletzt. Immer mehr Menschen sehen sich leider durch anhaltende antimuslimische Diskurse auch ermutigt, Musliminnen und Menschen, die sie für solche halten, zu beleidigen, zu diskriminieren oder sogar tätlich anzugreifen, wie die aktuellen Statistiken zu islamfeindlichen Straftaten zeigen. In der Einrichtung einer Expertinnenkommission sehen wir einen ersten Schritt, auch auf Bundesebene einen Beitrag dazu zu leisten, dass antimuslimischer Rassismus in Deutschland nachhaltig bekämpft und Ressentiments gegenüber Musliminnen der (gesellschaftliche) Nährboden entzogen wird.”

Das breite Bündnis aus Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtverbänden, Beratungsorganisationen, Politikerinnen sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Bildungspraxis fordert die Einrichtung einer unabhängigen Expertinnenkommission “Antimuslimischer Rassismus”, die im Einzelnen folgende Aufgaben erfüllen soll:

  1. Die Expert*innenkommission hat zur Aufgabe sich mit den Erscheinungsformen von Islam- und Muslimfeindlichkeit/ antimuslimischem Rassismus auseinanderzusetzen.
  2. Die Expertinnenkommission hat zur Aufgabe eine Bestandsaufnahme zu Erscheinungsformen und Folgen von antimuslimischem Rassismus in allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen durchzuführen und wissenschaftliche Expertisen zur Situation von Musliminnen in Deutschland zu entwickeln. Erforderlich ist eine Ausformulierung wissenschaftlicher Fragestellungen und Arbeitsaufträge insbesondere in den Bereichen: Datenerfassung, Dokumentation und Auswertung islamfeindlich/antimuslimisch motivierter Straftaten – Antimuslimischer Rassismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit in den Medien – Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt – Diskriminierung im Bildungswesen – Diskriminierung bei der Wohnungssuche
  3. Die Expert*innenkommission muss handlungsbasierte Strategien entwickeln, die dem Phänomen der wachsenden Islam- und Muslimfeindlichkeit/ des antimuslimischen Rassismus intersektional sowie im Zusammenspiel mit anderen Formen von Diskriminierung und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit etwas entgegensetzen und als konkrete Empfehlungen für Bund und Länder dienen.
  4. Die Expertinnenkommission soll einen umfassenden Bericht zu Fragen der Diskriminierung und zur Umsetzung der Gleichberechtigung von Musliminnen in Deutschland mit konkreten Arbeitsaufträgen erarbeiten; dieser Bericht soll die Grundlage für die Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus durch Bund, Länder und Zivilgesellschaft bilden. Die Forderung nach einer Expertinnenkommission ist flankierend zur Forderung nach einer/einem Beauftragten gegen antimuslimischen Rassismus zu sehen. Die Einrichtung einer Expertinnenkommission stellt einen ersten Schritt dar, um das Ausmaß des antimuslimischen Rassismus zu erfassen. Weitere Maßnahmen werden erforderlich sein, um Muslim*innen vor Diskriminierung und Rassismus zu schützen.

Der offene Brief wurde initiiert von CLAIM und seinen Allianzpartnern. Den offenen Brief sowie alle weiteren Unterzeichnenden finden Sie unter: https://www.claim-allianz.de/aktuelles/news/offener-brief/

Hintergrund

Diverse Umfragen und Studien belegen, dass sich islamfeindliche und antimuslimische Einstellungen in Deutschland seit Jahren auf einem hohen Niveau bewegen: 2015 sagten 57 Prozent der nicht-muslimischen Befragten einer Studie der Bertelsmann Stiftung, dass sie den Islam für bedrohlich oder sehr bedrohlich halten. Im Jahr 2017 sind laut Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat 1.075 islamfeindliche Straftaten zu verzeichnen gewesen. Laut der Mitteilung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat wurden im Jahr 2018 910 islamfeindliche Straftaten gezählt; die Zahl der dabei Verletzten hat deutlich zugenommen und lag 2018 bei 74 Personen (2017 waren es noch 56). Es ist davon auszugehen, dass die offizielle Statistik dabei noch nicht das wahre Ausmaß des antimuslimischen Rassismus abbildet.

Über CLAIM

CLAIM bildet eine breite gesellschaftliche Allianz gegen die Ausgrenzung von Musliminnen und Muslimen, gegen Intoleranz, Diskriminierung, Islam- und Muslimfeindlichkeit. CLAIM ist ein Projekt der MUTIK gGmbH, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms “Demokratie leben!” und der Stiftung Mercator. Weitere Informationen zu CLAIM unter www.claim-allianz.de.

Bild: Claim

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