Die AfD propagiert ein Frauenbild der 50er-Jahre. Trotzdem steigt die Zahl der weiblichen Mitglieder. Was zieht diese Frauen an den rechten Rand? Eine Spurensuche.
Von Leila Al-Serori
Der Geruch von Alkohol tränkt die stickige Luft, jeder Tisch ist besetzt in der urigen Weinstube in der Münchner Innenstadt. Ein rundlicher Mann mit grau meliertem Bart fragt lächelnd, ob er sich dazusetzen darf. Als er die ersten Gesprächsfetzen mitbekommt, verzieht er das Gesicht und schnaubt. Maria Fichte fragt ihn: “Sie wählen wohl nicht die Alternative für Deutschland?” Die blonde Rentnerin hat zuvor wild gestikuliert und der Journalistin mit fester Stimme ihre politischen Ansichten dargelegt. So laut, als sei es ihr gleich, dass nicht nur der Tischnachbar jedes Wort hören kann. Jetzt ist sie verstummt und mustert ihn eindringlich. “Was wählen Sie?” Der Mann grummelt in seinen Bart hinein, die Wangen laufen dunkelrosa an. “Die Grünen?”, wiederholt Fichte seine Antwort und grinst. “Wie niedlich.”
Maria Fichte ist eine Rarität. Der durchschnittliche AfD-Wähler ist männlich und zwischen 35 und 59 Jahre alt. Fichte hingegen ist eine zierliche Dame, 70 Jahre alt, was man ihr aber nicht ansieht. Sie hat ihre Haare sorgsam frisiert, trägt viel Modeschmuck und ein paar geerbte Diamanten, ihre Augen sind mit einem smaragdgrünen Lidstrich umrahmt. Früher war sie CSU-Wählerin und das, was sie selbst als “Karrierefrau durch und durch” bezeichnet. Sie hat alleine eine Tochter großgezogen und sieht sich als Frauenrechtlerin. Was führt so jemanden in die rechtsradikale AfD? Die Partei ist ja nicht nur eine Antimigrationspartei, sie predigt ein völkisch-nationalistisches Frauenbild. Sie spricht sich in ihrem Programm dagegen aus, “Einelternfamilien als erstrebenswerten Lebensentwurf zu propagieren”. Lehnt Frauenquoten und gendergerechte Sprache ab. In der Bundestagsfraktion der AfD sitzen 82 Männer neben zehn Frauen.
“Kommen Sie, wir gehen. Hier können wir nicht in Ruhe reden – und überhaupt, haben Sie gesehen, was hier ein Kaffee kostet?” Fichte springt auf. Die Rentnerin schlüpft in ihren Mantel und bindet sich ein gemustertes Seidentuch um den Hals. “3,10 Euro! Eine Unverschämtheit, wer soll sich das denn in meinem Alter leisten? Da sind ja alle in der Altersarmut!”
Fichte ist seit einigen Monaten AfD-Mitglied. Eigentlich will sie ihre neue politische Heimat nicht verschweigen, aber sie fürchtet die Reaktionen in ihrem Umfeld. Enge Freundinnen hätten ihr deshalb schon die Freundschaft gekündigt. Und als sie ihrer Tochter von ihrem Parteieintritt erzählte, habe die nur geschrien. Deswegen will sie in diesem Text nicht unter ihrem echten Namen erscheinen, weitere Hinweise auf ihre Identität wurden geändert. Andere AfD-Wählerinnen, die für diese Recherche befragt wurden, sind noch verschlossener und lehnen Zitate in der Presse komplett ab.
Zahl der weiblichen Mitglieder stieg auf mehr als 17 Prozent
Jahrelang hieß es, dass Frauen weit weniger empfänglich für Rechtspopulismus seien. Dass ihnen die Rhetorik zu martialisch sei, die Parteiwerbung zu sexistisch. Im historischen Vergleich haben Frauen zwar durchaus manchmal rechter als die Männer gewählt, beispielsweise nach dem Ersten Weltkrieg. Aber hätte 2017 nur die weibliche Hälfte der Bevölkerung abgestimmt, wäre Donald Trump nicht US-Präsident geworden und die AfD hätte neun statt dreizehn Prozent bei der Bundestagswahl bekommen. Experten bezeichnen dieses unterschiedliche Wahlverhalten als “Radical Right Gender Gap”.
Bild: Screenshot Youtube
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