Mainz/Bremen (fs) – Der 13. August 1961 markiert einen Wendepunkt im 20. Jahrhundert. Wie erlebten die Menschen im geteilten Berlin den Bau der Mauer? Sie wurde zum schmerzhaften Symbol für den Kalten Krieg, die Teilung Deutschlands und der Welt. Der Film erzählt das Geschehen vor 60 Jahren aus unterschiedlichen Blickwinkeln, begleitet Zeitzeugen auf ihrem Weg durch jene dramatischen Stunden. Mit Hilfe von Interviews, Spielszenen und historischem Filmmaterial werden persönliche Lebenserinnerungen nachgezeichnet.
August 1961: Jene 24 Stunden, die das Leben von Millionen verändern, beginnen ganz alltäglich. Viele Berliner in der immer noch offenen Stadt sind unterwegs, von hüben nach drüben und umgekehrt, um im jeweils anderen Teil der Metropole einzukaufen oder zu arbeiten, Verwandte im Westen oder Osten zu besuchen. Wer frei hat, kann an der Krummen Lanke oder im Müggelsee baden. Der Tischler Manfred Migdal besucht am 12. August Freunde und Familie in Ost-Berlin und ahnt nicht, dass dieser Ausflug sein Leben für Jahrzehnte verändern wird. Die junge Lehrerin Ingrid Taegner schlägt das Angebot von Freunden aus, bei ihnen im Westen zu bleiben und dort zu übernachten. Sie will lieber zuhause schlafen, im Ostteil der Stadt. Ahnungslos ist auch der Angehörige einer Betriebskampfgruppe, Wolfgang Güttler, der nicht weiß, warum er mit seiner Einheit in einer Schule kaserniert wurde – und dass er in den folgenden zwei Tagen Dinge tun muss, die ihn sein Leben lang nicht mehr loslassen. Nicht einmal der junge SED-Parteifunktionär Hans Modrow ist informiert, warum er in der Nacht zum 13. August 1961 von einem Fahrer in das Präsidium der Volkspolizei gebracht wird. Für ihn haben die Planer des Mauerbaus eine Aufgabe, die auch sein Leben verändern wird.

Während die Berliner noch schlafen, schließt sich in der Mitte der Metropole der vielbeschworene Eiserne Vorhang: Stacheldraht, Betonblöcke und andere provisorischen Absperrungen machen den Anfang. Dann kommt das böse Erwachen. Für die geschockten Berliner wird es ein “schwarzer Sonntag”, für die Erbauer der entstehenden Mauer ein Tag der Genugtuung. Das letzte Schlupfloch für “Republikflüchtlinge” ist geschlossen.
Der Film blickt auf entscheidende Stunden im Leben von Menschen, für die der Bau der Mauer sehr unterschiedliche Folgen haben wird. Die DDR-Offiziellen werden sie einen “antifaschistischen Schutzwall” nennen, die Leidtragenden vor allem ein “menschenverachtendes Monstrum” darin sehen.



Der Film erzählt die entscheidenden Stunden als multiperspektivisches Parallelgeschehen, als Geschichte von verschiedenen Menschen in einem Raum zu einer bestimmten Zeit. Die dargestellten Schicksale führen uns wie auf einer interaktiven Karte zu den Orten des Geschehens, zeigen die Gleichzeitigkeit der Abläufe und die Bedingungen von Handlungen und Entscheidungen. So ergibt sich ein persönliches, aber auch historisch vielfältiges Bild.
Der Film von Florian Huber und Sigrun Laste konzentriert sich auf die Perspektive von vier Protagonisten und weiteren Augenzeugen. Für sie alle bildet der 13. August eine entscheidende Wendemarke in ihrer Biografie – so oder so. Die Dokumentation zeichnet über Interviews, Spielszenen und historisches Film- und Audiomaterial ihre persönlichen Erinnerungen nach.



Die Rollen der jungen Zeitzeugen 1961 und ihre Darsteller
Wolfgang Güttler_____Paul Iklāvs
Manfred Migdal_____Klāvs Kristaps Košins
Hans Modrow_____Eduards Johansons
Ingrid Taedner_____Sandija Dovgāne
und andere
Eine Story House Produktion im Auftrag des ZDF.



Chronologie der Teilung
5. Juni 1945
Die Alliierten übernehmen die “oberste Regierungsgewalt” in Deutschland, das in Besatzungszonen und Verwaltungsgebiete eingeteilt wird. In der bisherigen deutschen Reichshauptstadt bilden die Siegermächte USA, Sowjetunion, Frankreich, und Großbritannien vier Sektoren, von denen aus sie die Stadt gemeinsam verwalten wollen.
24. Juni 1948
Mit dem Zerfall der Anti-Hitler-Koalition treten die ideologischen und politischen Gegensätze zwischen den Alliierten – besonders in Berlin – hervor. Es kommt zur Entfremdung der Sektoren Ost und West. Im Juni 1948 beginnt die sogenannte Berlin-Blockade durch die sowjetische Besatzungsmacht. Die drei Berliner West-Sektoren werden abgeriegelt. Über eine Luftbrücke versorgen die westlichen Alliierten den eingeschlossenen Teil der Stadt.



30. November 1948
Die bis dahin geltende einheitliche Kommunalverwaltung für ganz Berlin wird durch die SED aufgekündigt. Fortan existieren zwei Stadtverwaltungen.
12. Mai 1949
Ende der “Berlin-Blockade”. Die Versorgung West-Berlins über die Luftbrücke brachte über zwei Millionen Tonnen Fracht nach Berlin. Mehr als 277.000 Flüge erreichten binnen elf Monaten West-Berlin.
Mai 1952
Der DDR-Ministerrat beschließt, die Grenze der DDR zur Bundesrepublik Deutschland abzuriegeln und eine fünf Kilometer breite Sperrzone einzurichten. Mehr als 10.000 Menschen, die in diesem Gebiet leben, werden zwangsweise umgesiedelt.



Auch die Grenze zu West-Berlin wird geschlossen. Die meisten Verkehrsverbindungen ins Umland werden gesperrt.
Es existieren Beschränkungen der Freizügigkeit. So können West-Berliner nur in Ausnahmefällen mit einer Sondergenehmigung in die DDR reisen, die Telefonverbindungen zwischen dem West- und dem Ostteil der Stadt sind unterbrochen, die Bus- und Straßenbahnlinien enden an der Sektorengrenze. Lediglich S- und U-Bahnen verkehren noch weiter durch ganz Berlin.
Die Bewegungsfreiheit der Menschen über die Sektorengrenzen verläuft hingegen noch relativ ungehindert. West-Berliner arbeiten legal in Ost-Berlin und Ost-Berliner in den Westsektoren. Man nennt sie “Grenzgänger”. Der relativ ungehinderte Ost-West-Verkehr in Berlin war der Grund dafür, dass bis August 1961 zwei Drittel der etwa drei Millionen Flüchtlinge von dort aus in den Westen gelangen konnten.



17. Juni 1953
In großen Teilen der DDR und Ost-Berlins kommt es zu einem Volksaufstand gegen den neuen Kurs der SED, der einen beschleunigten Aufbau des Sozialismus bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitsnormen vorsah. Der Aufstand wird mit Hilfe der Sowjetarmee gewaltsam niedergeschlagen. In der Bundesrepublik wird der Tag bereits 1954 zum offiziellen Nationalfeiertag “Tag der deutschen Einheit” erhoben und erst mit der Wiedervereinigung 1990 durch den 3. Oktober ersetzt.
November 1958
Der sowjetische Partei- und Regierungschef Nikita S. Chruschtschow erklärt in diplomatischen Noten an die Westmächte einseitig den Vier-Mächte-Status von Berlin für beendet. Er droht damit, der DDR die vollen Hoheitsrechte zu übertragen, wenn nicht innerhalb von sechs Monaten ein Abkommen mit den Westmächten über Berlin zustande komme. Die Kontrolle des Luft-, Eisenbahn- und Straßenverkehrs sollte so der DDR übertragen werden. Eine Reihe komplizierter Verhandlungsrunden zwischen den alliierten Kontrollmächten sind die Folge. Mit der Wahl Kennedys im Januar 1961 werden drei Essentials amerikanischer Berlin-Garantien formuliert, die ausdrücklich auf West-Berlin beschränkt sind: Präsenz der Westmächte, Freiheit des Zugangs und Freiheit und Lebensfähigkeit der Bevölkerung.



15. Juni 1961
SED-Chef Walter Ulbricht entgegnet auf einer Pressekonferenz auf die Frage, ob er eine Staatsgrenze am Brandenburger Tor errichten wolle: “Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!” Tatsächlich hatte Ulbricht schon Anfang 1961 mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen den Wunsch in Moskau hinterlegt, eine Stacheldrahtbarriere mitten durch Berlin zu errichten. Das wurde zunächst abgelehnt.
Mai bis August 1961
Die Flüchtlingszahlen des Sommers 1961 steigen sprunghaft an. Von 17.700 im Mai auf über 47.000 in den ersten Augusttagen. Die SED-Propaganda facht das Feuer zusätzlich durch Berichte über angebliche westliche Kriegsvorbereitungen an und spricht sogar von einem bevorstehenden Überfall auf die DDR.



3. bis 5. August 1961
In Moskau tagt der Warschauer Pakt. Ulbricht schildert hier freimütig die Auswirkungen der Fluchtbewegung auf die Wirtschaft der DDR und erklärt, wenn nicht schnell gehandelt werde, könne die DDR ihre Verpflichtungen gegenüber der Wirtschaftsorganisation der sozialistischen Staaten des Ostblocks nicht mehr erfüllen. Diesmal erhält er die Zustimmung der Verbündeten zur Schließung der Sektorengrenze durch den Bau einer Mauer.
12. August 1961
Allein an diesem Samstag flüchten annähernd 3.300 Menschen aus der DDR über die Berliner Sektorengrenze nach West-Berlin. Ganz im Verborgenen werden in Ost-Berlin die Vorbereitungen für den Bau einer Mauer entlang der Sektorengrenze vorangetrieben. Alle Befehle sind unter größtmöglicher Geheimhaltung von einem kleinen Kreis Eingeweihter erarbeitet worden. Gegen 22.00 Uhr trägt Ulbricht vor den Mitgliedern des SED-Politbüros, den Ministern und Staatssekretären sowie den Vorsitzenden der Blockparteien und dem Ost-Berliner Oberbürgermeister die Pläne vor, ab Mitternacht mit der Abriegelung der Grenze zu beginnen.



13. August 1961
Ab Mitternacht startet die von Erich Honecker ausgearbeitete “Operation Rose”. Als ZK-Sekretär für Sicherheitsfragen verantwortet er die gesamte Planung und Umsetzung des Mauerbaus im Namen der SED.
Für die gesamte Nationale Volksarmee wird “erhöhte Gefechtsbereitschaft” befohlen. 3.150 NVA-Soldaten der 8. Motorisierten Schützendivision in Schwerin setzen sich mit 100 Kampfpanzern und 120 Schützenpanzerwagen in Richtung Stadtmitte in Bewegung. Ihr Gefechtsstand ist der Magerviehhof in Friedrichsfelde. 4.200 Mann der 1. Motorisierten Schützendivision in Potsdam mit 140 Panzern und 200 Schützenpanzerwagen marschieren an den Außenring um West-Berlin. Die Truppen haben den Auftrag, im Hintergrund eine zweite Sicherungsstaffel in einer Tiefe von 1.000 Metern zur Grenze zu bilden und Durchbrüche zu den Sektorengrenzen zu verhindern.
Um 1.30 Uhr wird für alle Dienststellen der Ost-Berliner Volkspolizei Gefechtsalarm Stufe II ausgelöst. Die 1. Brigade Bereitschaftspolizei und das Sicherungskommando Berlin, zusammen mehr als 10.000 Mann, bilden die erste Sicherungsstaffel. Sie erhalten den Befehl, mit Ausnahme von 13 Kontrollpunkten für den Personen- und Kraftfahrzeugverkehr alle Sektorenübergänge pioniermäßig zu sperren und Stacheldrahtverhaue entlang der Sektorengrenze zu ziehen.



Seit dem frühen Morgen wird mitten in Berlin das Straßenpflaster aufgerissen, werden Asphaltstücke und Pflastersteine zu Barrikaden aufgeschichtet, Betonpfähle eingerammt und Stacheldrahtverhaue gezogen.
Fassungslos stehen sich die West-Berliner auf der einen, die Ost-Berliner und Bewohner des Umlandes auf der anderen Seite an der Sektorengrenze gegenüber. Auf der Ostseite halten Kampfgruppen und Volkspolizei die Umstehenden mit Maschinengewehren in Schach, im von den West-Alliierten kontrollierten West-Berlin schirmt die Polizei die Grenzanlagen vor den aufgeregten Bürgern ab.
Um 9.15 Uhr leitet der Regierende Bürgermeister Willy Brandt eine Sondersitzung des West-Berliner Senats. Parallel sind in Berlin-Dahlem die westlichen Stadtkommandanten zusammengekommen.
In Bonn ist Bundeskanzler Konrad Adenauer seit den frühen Morgenstunden über die Abriegelungsmaßnahmen in Berlin informiert worden. Adenauer mahnt zur Besonnenheit.
In Washington zeigen sich Außenminister Dean Rusk und Präsident Kennedy erleichtert, dass die Maßnahmen an der Sektorengrenze nur Ost-Berlin und Ostdeutschland betreffen und nicht gegen die Position der Alliierten in West-Berlin oder den Zugang nach West-Berlin gerichtet sind.
Zusammengestellt von Stefan Mausbach.
Geschichte erlebbar und verständlich machen – Interview mit den Filmemachern Dr. Florian Huber und Sigrun Laste
Was waren der Reiz und die Herausforderungen bei diesem Filmprojekt zum Berliner Mauerbau vor 60 Jahren?
Sigrun Laste: Der große Reiz für mich war, mit dem Mauerbau ein politisch-historisches Ereignis zu erzählen, das bis heute das Schicksal unseres Landes und viele Lebensgeschichten prägt, ohne dass wir darüber viel sprechen, weil es Teil unserer Normalität ist.
Dr. Florian Huber: Der große Reiz dieser Geschichte liegt darin, für den Zuschauer etwas schier Unvorstellbares greifbar zu machen: dass über Nacht eine Mauer deine Stadt zerteilt! Keiner von uns kann sich das heute vorstellen, keiner konnte es damals, und doch ist es geschehen.
Sigrun Laste: Wir haben das große Glück, dass Zeitzeugen ihre unglaublichen Lebensgeschichten mit uns teilen und wir sie erzählen dürfen. Dadurch haben wir die Gelegenheit, das Ereignis erlebbar zu machen, zu erfahren, wie es sich anfühlte und was sie damals wussten. Die Herausforderung ist über das Dokudrama und die Geschichten einzelner Menschen ein komplexes historisches Ereignis zu erzählen und ihm gerecht zu werden.



Was war Ihnen besonders wichtig bei der Herangehensweise?
Sigrun Laste: Wir erzählen den Mauerbau nicht als historisches Event von außen mit dem Wissen, das wir heute haben, sondern als ein Ereignis, dass tatsächlich mitten im Alltag der Menschen stattfindet. Zwischen Rouladen und Kinobesuch, Schlafengehen und Aufstehen. Der Film taucht direkt in den Moment ein und in den Alltag in Berlin. Beginnend mit dem 12. August, einem ganz normalen Sommertag, einem Tag wie jeder andere.
Welchen Ansatz haben Sie verfolgt?
Sigrun Laste: Mit vier verschiedenen Figuren, deren Geschichten pars pro toto für Szenarien stehen, die Tausende erleben, reisen wir chronologisch durch die 24 Stunden, die die Geschichte Deutschlands und unzählige Schicksale verändern. Wir erleben, wie jede und jeder der Zeitzeugen seinen ganz normalen Alltag lebt und dabei in den Strudel der Geschichte gerät. Wir wissen nie mehr als unsere Protagonisten damals. Mit diesem immersiven Zugang zum Ereignis, möchten wir die Geschichte zu uns holen, erlebbar und verständlich machen.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Zeitzeugen, die Haupt-Protagonisten des Films sind, ausgewählt?
Dr. Florian Huber: Wir suchten nach Menschen, deren Leben an diesem Tag im August entscheidend verändert worden ist; deren Zukunftspläne diese Mauer durchkreuzt hat, egal auf welcher Seite sie standen. Sie sollten uns zurückführen können in jene Stunden in Berlin – mit jedem Detail und jeder Empfindung, die dieses Erlebnis für sie ausmachte. Unsere vier Hauptfiguren waren damals ganz junge Menschen, deren Träume mit einmal eine jähe Wendung nahmen.



Erzählen Sie von den vier Protagonisten und ihrer jeweiligen Geschichte…
Dr. Florian Huber: Da ist zum Beispiel Manfred Migdal, ein freiheitsliebender Draufgänger, der sich erst im Jahr zuvor aus Ostberlin in den Westen absetzen konnte. Als er an diesem Wochenende arglos seine Mutter im Ost-Sektor besuchte, tappte er in die Falle. Als er morgens erwachte, war sein Weg zurück nach West-Berlin buchstäblich verbaut. Er verlor seinen kostbarsten Besitz: die gerade erst errungene Freiheit.
Weiter begleiten wir Ingrid Taegner durch diesen Tag. Die Ostberliner Lehrerin hatte Familie und Freunde über die ganze Stadt verteilt. Am Vorabend des Mauerbaus lehnte sie ein Angebot zur Flucht nach Westen ab. Ihre Heimat war drüben im Ostsektor, dort hatte sie eine schöne Wohnung und ein gutes Leben. Erst als sie am nächsten Tag vor den Grenzbarrikaden stand, ahnte sie, dass ihre große Familie darüber zerbrechen würde.
Mit Wolfgang Güttler erleben wir den Mauerbau von anderer Seite. Er musste als Mitglied einer Betriebskampfgruppe die Arbeiten an der Mauer überwachen. Als sie schließlich die ahnungslosen Bewohner aus den Häusern auf dem Grenzgebiet räumen sollten, stürzte er in einen Zwiespalt: Einerseits hielt er den Bau der Mauer für notwendig, um die DDR zu erhalten. Andererseits musste er sich dafür gegen die eigene Bevölkerung wenden. Die Bilder haben ihn bis heute nicht losgelassen.
Der junge Hans Modrow schließlich zählte zum SED-Parteinachwuchs. Als studierter Ökonom hoffte er auf eine Karriere in der DDR-Wirtschaft. Auch ihn stellte der Mauerbau vor eine unerwartete Situation. In der Nacht des 13. August 1961 hatte er den Einsatz des Mauerstabes im Prenzlauer Berg zu organisieren. Damit endete sein Weg in der Wirtschaft abrupt – an dessen Stelle trat eine Karriere als Parteipolitiker.
Gibt es eine Lebensgeschichte, die Sie besonders berührt hat?
Dr. Florian Huber: Mich hat beeindruckt, dass jeder dieser Menschen trotz des großen Schocks vom 13. August 1961 seinem Leitmotiv ein Leben lang treu geblieben ist. Manfred Migdal seinem Freiheitsdrang; Ingrid Taegner ihrer Liebe zur Familie; Wolfgang Güttler seinem Pflichtgefühl; Hans Modrow seiner Vision für ein besseres Deutschland. Niemand von ihnen ist an der Mauer zerbrochen.
Interview: Petra Fink-Wuest.
Der Mauerbau als Wendepunkt
Es lag in der vielbesungenen Berliner Luft, dass etwas passieren würde, darüber sind sich die Zeitzeugen in unserem Film einig. Doch was schließlich an jenem 13. August 1961 über die Menschen der geteilten Stadt hereinbrach, sprengte alle Vorstellungen. Millionen West-Berliner mussten erleben, wie sie praktisch über Nacht eingemauert wurden. Dabei ging es eigentlich gar nicht um sie, sondern darum, den Ostberlinern und Millionen anderen DDR-Bürgern den Zugang in den westlichen Teil der Stadt zu verwehren, der als letztes Schlupfloch für massenhafte Republikflucht diente. Und so kam es, dass sich die “Ausgemauerten” eher eingeschlossen fühlten als die Eingemauerten. Doch welche Perspektive man auch immer einnimmt, der 13. August stellt eine Zäsur von historischer Dimension dar. Der Bau der Mauer steht symbolisch für eine Teilung von globaler Reichweite, spaltete eine Metropole mitten in Europa, eine Nation, einen Kontinent. Auf all diesen Ebenen sollte sich das Geschehen auswirken.
Da waren zunächst die Menschen vor Ort, die Berliner: Zwar war die Teilung der Stadt zwischen den drei Westsektoren und dem Ostsektor bis 1961 schon weit fortgeschritten. Doch immer noch überquerten Hunderttausende von Menschen täglich wechselseitig die Sektorengrenze, um im jeweils anderen Teil der Metropole zu arbeiten, dort Verwandte und Freunde zu treffen oder sich zu versorgen. Dem setzte der 13. August ein Ende. Auf dem Potsdamer Platz, wo es sonst nur so wimmelte, errichteten Arbeiter wie an vielen anderen Orten entlang der Sektorengrenze Sperren und rollten Stacheldraht aus, unter militärischer und polizeilicher Bewachung. Gleisverbindungen und Straßen wurden unterbrochen. Auf beiden Seiten staute sich bei vielen fassungslosen Augenzeugen ohnmächtige Wut an.



Auch die Kluft zwischen den beiden deutschen Staaten sollte sich vertiefen. Die Bonner Regierung sah die Mauer als weitere Ausgeburt einer totalitärer SED-Diktatur, die von Moskau gesteuert wurde. Ost-Berlin hingegen erklärte sie zum Friedenswerk, zum “antifaschistischen Schutzwall”, der vor feindlichen Übergriffen, Sabotage, Menschenhandel und Ausbeutung bewahre. So trieb die Propaganda die Polarisierung weiter voran. Hinter den Kulissen allerdings teilten maßgebliche politische Entscheider – im Osten und im Westen – die Einschätzung, dass der anhaltende Exodus aus der DDR eine Destabilisierung an der Nahtstelle der Blöcke darstellte und eine Unterbindung der Flucht die Lage entschärfen konnte.
So wurde die Spaltung auch in der Außen- und Sicherheitspolitik manifestiert. US-Präsident John F. Kennedy pochte auf die sogenannten “Three Essentials”: Verbleib der Westmächte in Berlin, freier Zugang zum Westteil der Stadt, Freiheit und Lebensfähigkeit für die Bürger dort. Im Klartext bedeutete dies aber auch: Im Osten (auch Berlins) mischen wir uns nicht ein! Daraus schloss Chruschtschow: “Wir rollen Stacheldraht aus, und die Westmächte werden dastehen wie dumme Schafe! Und während sie noch so dastehen, bauen wir eine Mauer!” Und so gab es in der Tat kein Eingreifen, als Mitte August Baukräne die ersten Betonplatten auf die Grenzlinie hievten. Der damals Regierende Bürgermeister Willy Brandt war zunächst – wie die meisten seiner Mitbürger – bitter enttäuscht über die Haltung der Westmächte, zeigte später aber auch Verständnis: “Was für die Berliner ein Tag des Entsetzens war, sollte für die westlichen Regierungen objektiv zu einem Datum der Erleichterung werden. Die befürchtete Kriegsgefahr war abgewendet”.
Der Status Quo der Teilung Deutschlands und Europas war fortan betoniert. Im Laufe der 60er Jahre reifte deshalb der Gedanke, dass nur auf der Basis gegenseitiger Akzeptanz der Machtsphären auf dem Kontinent eine Entspannung zwischen Ost und West möglich war – im Sinne “friedlicher Koexistenz”, auch wenn der Rüstungswettlauf ungebremst weiterging. Mehr menschliche Erleichterungen zwischen beiden deutschen Staaten sollte es geben, ein wesentliches Ziel der neuen Ostpolitik Bonns, die einen “Wandel durch Annäherung” erreichen wollte. Mit der Folge, dass immer mehr Deutsche von hüben und drüben einander begegnen konnten. Die Mauer blieb zwar die Manifestation der Teilung für fast drei Jahrzehnte. Doch sie verband auch viele Menschen in Ost und West in der Hoffnung, dass sie eines Tages wieder abgebaut wird.
Sendezeit
- Dienstag, 10. August 2021, 20.15 Uhr, ZDF
- Ab Sonntag, 8. August 2021, 20.15 Uhr, ZDFmediathek
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