Verleihung des Juliane Bartel Medienpreises

Hannover/Ganderkesee (fs) – Bei der Verleihung des Juliane Bartel Medienpreises in Hannover sind herausragende Beiträge ausgezeichnet worden, die Rollenklischees auf ernsthafte oder lustige Art hinterfragen ̶ oder die die Diskriminierung von Frauen entlarven.

Bei einer feierlichen Verleihung im Landesfunkhaus in Hannover sind Dienstagabend Medienschaffende ausgezeichnet worden. Die Resonanz war 2019 besonders groß: „Wir haben 134 Einreichungen in den Kategorien Hörfunk und Fernsehen erhalten und noch einmal 30 Beiträge in der Online-Kategorie ̶ bemerkenswert ist auch, dass die Qualität der Beiträge ansteigt“, sagte Sozial- und Gleichstellungsministerin Carola Reimann, deren Ministerium die Preisverleihung gemeinsam mit dem NDR und der Landesmedienanstalt ausrichtet.

Zu den prominenten Gästen und Laudatorinnen und Laudatoren zählte Elke Büdenbender, die dazu aufrief, gegen gängige Geschlechterklischees anzukämpfen. Die Schirmherrin der Initiative „Klischeefrei“, Richterin und Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den Einsatz der in diesem Jahr ausgezeichneten Schöpferinnen und Schöpfer von kritischen Film-, Online- und Hörfunk-Beiträgen: „Wir brauchen Preise wie den Juliane Bartel Medienpreis, weil wir gar nicht genug tun können, um auf die gängigen Geschlechterklischees aufmerksam zu machen und aufzuzeigen, wie falsch sie sind.“ Die Auseinandersetzung mit der Gleichstellung von Mann und Frau sowie den Rollenkonflikten in den Medien sei enorm wichtig, weil so die Zuschauerinnen und Zuschauer wachgerüttelt würden, Mut gemacht werde, so Elke Büdenbender: „Traut Euch! Findet Eure eigenen Talente!“, lautete ihr Appell an Mädchen und Jungen, die sie mit ihrer Initiative zu einer klischeefreien Berufswahl motivieren will.

Bild: NDR

Schon die Titel der siegreichen Beiträge zeigen die Bandbreite der Einreichungen auf, machen Lust aufs Reinschauen und Reinhören: „Mit Witz gegen den Schönheitswahn“, „Kopftuchlos in Teheran“, „bauhausfrauen“, „Wie sehr bestimmt das Geschlecht mein Leben?“ oder die bekannte Show „Pussy Terror TV“ mit Carolin Kebekus.

Dr. Carola Reimann dankte der Vorjury und der Jury für die außerordentlich schwierige Arbeit, aus den vielen beeindruckenden Einsendungen die Siegerinnen und Sieger herauszufiltern. Von diesen gehe eine Signalwirkung aus, so die Sozialministerin: „Medien haben einen großen Einfluss auf Rollenbilder. Wenn Frauen und Männer, Jungen und Mädchen in allen gesellschaftlichen Rollen gezeigt werden, bestimmt das die gesellschaftliche Wahrnehmung ̶ die ausgezeichneten Journalistinnen und Journalisten machen positive Beispiele sichtbar!“

Mit dem renommierten Juliane Bartel Preis würdigt das Land gemeinsam mit dem NDR und der Landesmedienanstalt Autorinnen und Autoren, die in ihren Fernseh-, Hörfunk- und Online-Beträgen auf ernste oder unterhaltsame Weise die Gleichstellung von Frauen und Männern thematisieren und dabei Rollenkonflikte oder Diskriminierungen sichtbar machen. Insgesamt 164 Medienschaffende aus dem gesamten deutschsprachigen Raum bewarben sich um den renommierten Medienpreis, der bereits seit 2001 verliehen wird. Er ist nach der Journalistin Juliane Bartel (1945 – 1998) benannt, die als gradlinige, kritische sowie humorvolle Person für einen fairen und glaubwürdigen Journalismus steht.

Die Gewinnerinnen und Gewinner

Der mit insgesamt 15.000 Euro dotierte Juliane Bartel Medienpreis geht 2019 in den fünf ausgezeichneten Kategorien an nachfolgende Gewinnerinnen und Gewinner.

Kategorie: Fernsehfilm und Fernsehserie

Pussy Terror TV (Sendung 2/2019)

  • 43´30 min, Das Erste/WDR
  • AutorInnen: Claudius Pläging und Team

Ein Emoji für Menstruation und eine Luxussteuer auf Hygieneartikel. Carolin Kebekus bricht satirisch eine Lanze für alle Frauen und greift Themen auf, mit denen sich Frauen immer wieder befassen müssen. Dabei bleibt sie konsequent in der weiblichen Perspektive. In ihrer zweiten Sendung im Jahr 2019 thematisiert sie die Diskriminierung von Frauen in unserer Gesellschaft – sowohl im Alltag als auch auf der großen politischen Bühne.

Kebekus erzählt davon, wie Frauen sind und räumt auf sehr humoristische und teils ironische Weise mit Vorurteilen auf, ohne dabei persönlich angreifend zu werden.

Kategorie: Dokumentation, Reportage, Feature, Magazinbeitrag (mit einer Länge von mehr als 10 Minuten)

bauhausfrauen

  • 43´40 min, rbb
  • Autorin: Susanne Radelhof

In der Geschichte des Bauhauses anlässlich des 100jährigen Bestehens wird das Werk der Bauhausfrauen oft nur am Rande erzählt, obgleich eine der wesentlichen Ideen der Bauhausbewegung die Schaffung eines neuen Menschenbildes und damit einhergehend die Gleichberechtigung der Frau war. Dennoch wurden die Frauen am Bauhaus bewusst kleingehalten, obgleich sie in großer Zahl eingeschrieben waren und von Anfang an nicht nur den Stil mit prägten, sondern einen maßgeblichen Anteil an der Außendarstellung hatten.

Susanne Radelhof arbeitet nun in 45 Minuten das Werk der Bauhausfrauen auf, die den Stil des weltberühmten Bauhauses entscheidend mitgeprägt haben und ohne die der Erfolg undenkbar gewesen wäre. Durch die geschickte Kombination aus Archivmaterial, Tagebucheinträgen und Gesprächen mit Nachfahren und Nachfahrinnen der Frauen lässt der Film den Zuschauer intensiv an der Geschichte und dem Lebenswerk der Bauhausfrauen teilhaben.

Kategorie: Dokumentation, Reportage, Feature, Magazinbeitrag (mit einer Länge bis 10 Minuten)

Mit Witz gegen den Schönheitswahn – Frauen wehren sich auf Instagram

  • 4´22 min, NDR
  • AutorInnen: Nils Altland und Lisa Hagen

Video: https://v.gd/wsk7XQ

Nils Altland und Lisa Hagen begleiten die Instagram-Aktivistin Melodie Michelberger, die im Netz gegen den vorgelebten Schönheitswahn rebellieren. In einem sehr kurzweiligen Fernsehstück zeigen die Autoren, welche Gendervorstellungen Frauen in den sozialen Netzwerken vorgelebt werden und welche Auswirkungen dies auf das Selbstbild von Frauen hat. Inspiriert von der Instagram-Aktivistin Celeste Barber, stellt auch sie sich diesem Wahn rebellisch entgegen und zeigt in Parodien prominenter Selbstinszenierungen, was Frauen wirklich ausmacht: Zum eigenen Körper stehen und sich nicht „optimieren“ zu lassen.

Ihre Follower bezeichnen sie dafür als „mutig“. Sie selbst findet es traurig, dass Mut dazu gehören soll, sich einfach selbst zu mögen.

Kategorie: Online

„Wie sehr bestimmt das Geschlecht mein Leben?“ (6-Teiler)

  • 65´56 min.
  • AutorInnen: Michael Bartlewski, Verena Fücker, Samira Schütz, Frank Seibert

Hier findet ihr alle sechs Teile.

Die Nominierten sagen dazu: “In diesem YouTube-Reportage-Format versucht „Die Frage“-Reporter Frank Seibert in insgesamt sechs Folgen die Frage „Wie sehr bestimmt das Geschlecht mein Leben?“ zu beantworten. Ziel war es dabei, Geschlechterklischees zu hinterfragen und zu überwinden, um so etwas für eine gerechtere und gleichberechtigte Gesellschaft beizutragen. Es handelt sich um eine geschlossene Reihe, die schließlich zur Beantwortung der Frage führt.

Unter den einzelnen Folgen wird mit der Community diskutiert, Feedback eingeholt und das Thema weiter eingeordnet.“

Kategorie: Hörfunk (zwei PreisträgerInnen)

Kopftuchlos in Teheran

  • 29´45 min, rbb 2018
  • Autorin: Weronika Bohusz
Audio: “Kopftuchlos in Teheran”

Dieses Hörfunkstück punktet durch seinen Hörspielcharakter und den internationalen Bezug. Weronika Bohusz geht mit einem Beispiel voran, das von einer mutigen und starken Frau in Teheran erzählt, die sich gemeinsam mit anderen den Konventionen wiedersetzt und für ihre Rechte und die Gleichstellung mit den Männern der iranischen Gesellschaft kämpft.

Sie tut es mit allen Konsequenzen und scheut auch nicht die politische Verfolgung. Ein beeindruckendes Beispiel für mutiges Eintreten für die eigenen Rechte als Frau in einer restriktiven Gesellschaft, die von der Sharia diktiert wird.

Schwangerschaftsabbruch – Ein Tabu und seine Folgen

  • 44´00 min, DLF/SR
  • Autorin: Dr. Gaby Mayr
Audio: “Schwangerschaftsabbruch – Ein Tabu und seine Folgen”

Schwangerschaftsabbrüche sind auch heute noch ein Tabu in Deutschland. In rund 45 Minuten setzt sich Dr. Gaby Mayr mit der aktuellen Situation für Frauen, die abtreiben wollen, auseinander. Sie spricht mit den betroffenen Frauen, mit JuristInnen und ÄrztInnen und versucht Transparenz im undurchsichtigen System rund um das Thema Abtreibung zu schaffen.

Die schwerwiegenden Folgen des Tabus:

Wissenschaftliche Studien zum Thema Schwangerschaftsabbruch werden in Deutschland im Gegensatz beispielsweise zu Großbritannien nicht durchgeführt. In der medizinischen Ausbildung wird die Methode des Schwangerschaftsabbruches überwiegend nicht gelehrt, die öffentliche Diskussion entbehrt jeglicher Sachlichkeit bis hin zur Anfeindung von Ärztinnen und Ärzten, die Abtreibungen vornehmen. In der juristischen Ausbildung wird einseitig die Perspektive der Schutzbedürftigkeit des Embryos vermittelt, nicht aber die Perspektive der betroffenen Frau. Keine gute Voraussetzung für eine Strafrechtsreform.

Juliane Bartel: Wer ist das?

Juliane Bartel (1945-1998) war eine couragierte und engagierte Journalistin sowie Hörfunk- und Fernsehmoderatorin, die in “S-F-Beat”, einer Jugend-, Musik- und Infosendung, und später dann auch in der Tagesmagazinsendung „Echo am Morgen“ zu hören war. Ihren Durchbruch beim Fernsehen hatte Juliane Bartel mit der Talkshow „3 nach 9“, durch die sie von 1989 bis 1998 führte. Zuvor moderierte sie im ZDF die Sendung Spielraum und ab 1993 “Alex” beim Sender Freies Berlin. Zu dieser Zeit gab es nur wenige Frauen in dieser Rolle zu finden.

Titelbild: NDR

Über den Autor

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.