Wo fängt Diskriminierung im Sport an?

Vechta/Ganderkesee (fs) – „Muss eine Frau Männerfußball kommentieren? Lasst doch den Männern wenigstens diese Domäne.“ – „Ich würde gerne einen schwarzen Spieler verpflichten, aber die Fans wollen das nicht.“ – „Ich hatte vor der Saison ein Angebot aus England. Wäre ich bloß hingegangen. In England ist Fußball wenigstens noch Männersport – und nichts für Tunten.“

Nach wie vor werden viele Menschen diskriminiert: Aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Ethnie, ihres Glaubens, ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität, ihres Alters oder oder oder… Auch die Medien sprechen, leider in jüngster Zeit vermehrt, fast täglich von Vorfällen auf Schulhöfen oder bei öffentlichen Veranstaltungen. Ein Ort, der im Kontext Diskriminierung vielleicht nicht sofort ins Auge fällt, ist der organisierte Sport. Doch auch hier ist, genauso wie in der Gesellschaft gesamt, die Akzeptanz von Vielfalt noch lange nicht durchgesetzt.

„Diskriminierung kann viele unterschiedliche Formen annehmen“, erläutert Prof. Dr. Martin K.W. Schweer. Der Psychologe hat seit 1998 die Professur für Pädagogische Psychologie an der Universität Vechta inne.

Wir beobachten eine Bandbreite von diskriminierenden Handlungen, angefangen von scheinbar harmlosen Witzen bis hin zu verbaler und körperlicher Aggression.

Prof. Dr. Martin K.W. Schweer

Der gebürtige Oberhausener untersucht seit Langem Diskriminierung in organisationalen Kontexten, seit gut zehn Jahren auch für den Bereich des Sports und aktuell als wissenschaftlicher Leiter der von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld initiierten Bildungs- und Forschungsinitiative „Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Homophobie“.

Diskriminierung verläuft nicht selten geräuschlos, wenn einerseits Betroffene keine Anlaufstelle haben und andererseits Mitmenschen sich oftmals nicht bewusst sind, wann sie Grenzen zur Diskriminierung überschreiten.

Prof. Dr. Martin K.W. Schweer

Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2016 spielt dabei nach wie vor das Geschlecht eine dominante Rolle bei der Benachteiligung von Menschen. Schaut man auf den besonders sensiblen Bereich der sexuellen Orientierung, so zeigt etwa eine internationale Arbeit mit ca. 9.500 Athletinnen und Athleten zu Homophobie im Sport aus dem Jahr 2015, dass sich 54 Prozent der Männer und 36 Prozent der Frauen in ihrem Sport nicht hinreichend akzeptiert fühlen, 80 Prozent der Befragten haben bereits solche Diskriminierungen selber erlebt.

Für die Volkssportart Nummer 1 in Deutschland, dem Fußball, betont zwar beispielsweise der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger, dass der „Fußball … wie kein anderer ‘Botschafter’ in unserer Gesellschaft Werte vermitteln“ (Deutscher Fußball-Bund: Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Seite 2. Frankfurt/Main 2010) kann, das Thema ist dennoch immer noch absolutes Tabu. Umso wichtiger ist es für Thomas Hitzlsperger, Botschafter des DFB und bislang einziger ehemaliger deutscher Profi, der seine Homosexualität öffentlich gemacht hat, „mich gegen Diskriminierungen einzusetzen und für einen zeitgemäßen Umgang mit der sexuellen Orientierung und für Toleranz zu werben.“ (Hitzlsperger, T.: „Unsere Botschaft ist eindeutig.“ Interview geführt von Kriss Rudolph. In: MANNSCHAFT, Ausgabe März, 2018, S. 52–53)

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass betroffene Personen eine Beratungsstelle außerhalb des eigenen sozialen Umfeldes nutzen können.

Prof. Dr. Martin K.W. Schweer

Er selbst bietet mit der Einrichtung Challenges – Arbeitsstelle für sportpsychologische Beratung und Betreuung einen solchen Anlaufpunkt. In mittlerweile 15 Jahren Tätigkeit hat er eine Vielzahl von Einzelathlet*innen, Trainer*innen und Eltern, aber auch Vereine und Verbände beraten.

In der jüngeren Vergangenheit hat die Zahl der Ratsuchenden, die sich wegen Diskriminierung an Challenges wenden, deutlich zugenommen. Wir wollen daher unser Spektrum diesbezüglich erweitern, um passgenaue Hilfestellungen geben zu können.

Prof. Dr. Martin K.W. Schweer

Challenges richtet sich an Sportler*innen, Trainer*innen, Betreuer*innen, Schiedsrichter*innen, Eltern und alle weiteren im organisierten Sport engagierte Akteur*innen, aber auch an Personengruppen aus anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Anlässe für Beratungen können konkrete oder vermutete Fälle von Diskriminierung sein, Fragen des Coming-outs oder weiterführende Anliegen wie etwa der perspektivische Umgang mit Diskriminierung in einer Einrichtung sowie Schulungen.

Ziel unserer Arbeit ist für Diskriminierung zu sensibilisieren und den richtigen Umgang damit zu finden, um letztlich zu einem deutlich veränderten Klima im organisierten Sport und in der Gesellschaft insgesamt beitragen zu können.

Prof. Dr. Martin K.W. Schweer

Über den Autor

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.