Hindernis für Integration in den Arbeitsmarkt: Studie der Tübinger Politikwissenschaft berichtet von Diskriminierungen bei Ausbildung und Wohnungssuche.
Tübingen/Bremen (fs) – Rassismus und Diskriminierung erschweren Geflüchteten in Deutschland die Integration in den Arbeitsmarkt. Zu diesem Schluss kommt eine politikwissenschaftliche Studie der Universität Tübingen: Ein Team um Dr. Nikolai Huke hatte 64 Interviews mit Geflüchteten, Behörden, Beratungsstellen, Ehrenamtlichen und Gewerkschaften in sechs Regionen Deutschlands geführt. In den Gesprächen wurde wiederholt von Rassismuserfahrungen in Behörden, Berufsschulen, Betrieben oder bei der Wohnungssuche berichtet, die Betroffene als sehr belastend empfanden. Die Studie ist Teil des Verbundprojekts „Willkommenskultur und Demokratie in Deutschland“, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Herausgegeben wird sie in Kooperation mit der Initiative Pro Asyl und der Gewerkschaft IG Metall (Ressort Migration und Teilhabe).
Geht es in öffentlichen Debatten um die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, ist Rassismus nur selten Thema. Im Mittelpunkt stehen meist Sprachkenntnisse, die Anerkennung von Qualifikationen, bürokratische Hürden oder Probleme mit dem Aufenthaltsstatus. In den qualitativen Interviews des Verbundprojekts – Gespräche, die Einzelschicksale untersuchen und offene Antworten ermöglichen – wurde deutlich, dass Rassismus im Alltag ebenfalls ein Integrationshindernis sein kann: Die Gesprächspersonen berichteten von abfälligen Bemerkungen, Pöbeleien und Ausgrenzung bis hin zu handfesten Auseinandersetzungen.
In Berufsschulen könnten Rassismuserfahrungen psychosomatische Beschwerden und Bildungsabbrüche verursachen, so Autor Nikolai Huke. In den Betrieben komme es zu Konflikten zwischen Beschäftigen.
In einigen Fällen wurden die von Diskriminierung Betroffenen entlassen, während diejenigen, die sich rassistisch äußerten, keine Sanktionen befürchten mussten. In Behörden erschweren Vorurteile und fehlende Sprachkenntnisse den Geflüchteten immer wieder Zugang zu Unterstützungsleistungen und machten sie von externer Unterstützung (z.B. durch Ehrenamtliche) abhängig.
Nikolai Huke
Auch hätten Geflüchtete es besonders schwer, eine Wohnung zu finden und müssten oft länger als nötig in Flüchtlingsunterkünften wohnen. Der Alltag dort sei mit zahlreichen Stressfaktoren verbunden, wie beispielsweise fehlenden Lern- und Rückzugsräumen. Das wirke psychisch belastend und erschwere eine berufliche Qualifizierung.
Eigentlich sind Migration und Herkunftsverschiedenheit in den meisten Betrieben normaler Alltag. Die betriebliche Sozialintegration von Geflüchteten verläuft in der Regel konfliktarm. Dennoch beobachten wir in unserer Forschung, dass Geflüchtete in verschiedenen Lebensbereichen Rassismuserfahrungen machen, die eine stabile Integration in die Arbeitswelt deutlich erschweren.
Nikolai Huke
Die Tatsache, dass ein Verlust des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes unter Umständen das Aufenthaltsrecht bedrohe, erschwere es Geflüchteten zusätzlich, sich gegen Rassismus in der Schule oder im Betrieb zu wehren.
Wo es keinen gleichberechtigten Zugang gibt, stehen die Türen für ausgrenzende und rassistische Handlungen in Betrieben weit offen. Ein Staat, der einen Teil der Bevölkerung diskriminierenden Regelungen unterwirft, muss wissen, dass das System in den Betrieben alltäglich Wirkung entfaltet.
Andrea Kothen von der Organisation Pro Asyl
Rassismus, betont Petra Wlecklik von der IG Metall (Ressort Migration und Teilhabe), ist „ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass in unseren institutionalisierten und auch in nicht-formalen Wegen des Zusammenlebens begründet ist und keinesfalls lediglich das Problem der Menschen ist, die davon betroffen sind. Nicht-rassistische Bildungsarbeit und interkulturelle Arbeit sollten von Unternehmensleitungen in den Mittelpunkt gestellt werden.“
Als Gegenmaßnahmen schlägt die Studie unter anderem vor, professionelle Antidiskriminierungs- und Rechtsberatungsstellen flächendeckend aufzubauen, die ehrenamtliche Begleitung von Flüchtlingen im Alltag zu fördern und Arbeitsmarktakteure wie Behörden und Berufsschulen für dieses Thema zu sensibilisieren.
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