Mike Mohring stolperte in Thüringen über die AfD bei der letzten Landtagswahl. / Foto: Screenshot Youtube

Beispiele kommunaler Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD

Ganderkesee (fs) – Nach vielfachen Aussagen der CDU auf Bundes- wie auf Länderebene ist eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD ausgeschlossen. Zumindest in einigen Kommunen wird dies offenbar anders gesehen, das belegen mehrere sorgfältig recherchierte Medienberichte (siehe dazu unten unter Quellen).

Bei Anfragen an Akteur/innen in knapp 60 Kommunalparlamenten in Sachsen und Thüringen im September 2019 erhielt der SWR aus zwei CDU-Fraktionen die Auskunft, schon gemeinsam mit der AfD Mehrheiten organisiert zu haben – obwohl die Sitzungsperiode gerade erst begonnen hatte. Sechs weitere CDU-Fraktionen hielten es für wahrscheinlich, in Zukunft gemeinsam mit der AfD Mehrheiten zu beschaffen. Insgesamt ergab die Recherche mindestens 18 Orte, in denen Zusammenarbeit oder Absprachen zwischen CDU und AfD stattfinden.

Görlitz

So wurde in Görlitz (Sachsen) in der ersten Sitzung nach der Kommunalwahl 2019 ein von der AfD aufgestellter, bekanntermaßen rechtsextremer und als Waffennarr bekannter Kandidat für ein Mandat als sachkundiger Einwohner im Ausschuss für Ordnung mit 20 zu 19 Stimmen gewählt, obwohl die AfD nur 13 Sitze im Stadtrat hat. Nach Überzeugung der anderen Fraktionen haben einige Ratsmitglieder der CDU ihm ihre Stimme gegeben. Lutz Jankus, AfD-Fraktionsvorsitzender, wird wie folgt zitiert: “Die ersten Sitzungen haben gezeigt, dass CDU und AfD zumindest auf kommunaler Ebene durchaus zusammenarbeiten können. Das hat sich in der Form gezeigt, die Besetzung der Ausschüsse. Da haben wir weitgehend gemeinsam abgestimmt.”

Penzlin

In der Stadtvertretung von Penzlin (Mecklenburg-Vorpommern) bildeten die drei CDU-Vertreter mit dem einzigen Stadtrat der AfD eine Zählgemeinsachaft für die Besetzung der Ausschüsse. So konnten die CDU-Vertreter mehr Ausschüsse besetzen, der AfD-Vertreter ist dadurch jetzt Mitglied im Rechnungsprüfungsausschuss sowie im Schul- und Kulturausschuss.[1]

Eilsleben

In Eilsleben (Sachsen-Anhalt) wurde das AfD-Mitglied Martin Ahrendt, das bei Naziaufmärschen gesichtet worden war und sich bei Facebook als Anhänger rechtsextremer Musikbands geoutet hatte, als Mitglied in die CDU-Fraktion aufgenommen. Nach Anfragen von Reportern wurde die Mitgliedschaft offiziell beendet, die informelle Zusammenarbeit jedoch nicht.

Frankenstein

In Frankenstein (Kreis Kaiserslautern, Rheinland-Pfalz) bildeten CDU und AfD im September 2019 eine gemeinsame Fraktion – die beiden Ratsmitglieder waren miteinander verheiratet. Dies führte einige Wochen später zum Ausschluss der CDU-Vertreterin aus ihrer Partei.[2]

Altenstadt-Waldsiedlung

Bundesweit wurde besonders aufmerksam wahrgenommen, dass der Ortsbeirat des Ortsteils Waldsiedlung (Altenstadt, Wetteraukkreis. Hessen) einstimmig einen NPD-Funktionär zum Ortsvorsteher wählte. Nach bundesweiten Protesten wurde er einige Wochen später wieder abgewählt.[3]

Radebeul

Am 03.09.2019 entschied in Radebeul (Sachsen) Matthias Hoffmann, Stadtrat der AfD, die Wahl einer “sachkundigen Persönlichkeit für die Jury des Bauherrenpreises” für sich; er erhielt im zuständigen Stadtentwicklungsausschuss sechs Stimmen, die Kandidatin der gemeinsamen Fraktion von Bürgerforum, Grünen und SPD nur fünf. Die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss lassen darauf schließen, dass auch die drei CDU-Stadträte für den AfD-Kandidaten stimmten. Grünen-Stadtrat Martin Oehmichen sagte dazu dem “Tagesspiegel”: “Zwischen der CDU und der flüchtlingsfeindlichen, völkischen und tendenziell rassistischen Partei AfD bestehen in Radebeul kaum Berührungsängste”. Bereits zur konstituierenden Stadtratssitzung habe die CDU ohne Not der AfD die Zusammenarbeit angeboten. “Ohne Rücksicht auf Verluste arbeitet der blau-schwarze Haufen zusammen. Es ist einfach nur gruselig”, so Oehmichen.

Saale-Holzland-Kreis

Im Saale-Holzland-Kreis (Thüringen) wurde nach Auskunft des Kreisvorsitzende der Linken, Markus Gleichmann, ein AfD-Vertreter, der zudem öffentlich für die rechtsextreme Thügida aufgetreten war, in offener Abstimmung mit den Stimmen von CDU, FDP, Bürgerinitiative und Mitgliedern des Bauernverbandes gegen Grüne und Linke als Vertreter des Kreises in den Verbandsrat eines überregionalen Zweckverbandes gewählt. Er erhielt 30 von 39 abgegebenen Stimmen.[4]

Chemnitz

In Chemnitz (Sachsen) erreichte die CDU mit Unterstützung von Abgeordneten der FDP, AfD und der rechtsextremen Lokalpartei “Pro Chemnitz”, dass Vertreter/innen von freien Trägern oder Wohlfahrtsverbänden keine Sitze mehr im Jugendhilfeausschuss bekamen. AfD-Stadtrat Lars Franke, früher bei “Pro Chemnitz”, schrieb dazu auf Facebook: “Es ist gut, dass die konservativen demokratischen Kräfte im Chemnitzer Stadtrat konspirativ und nicht gegeneinander arbeiten.” Christin Furtenbacher, Grüne Stadträtin in Chemnitz, bestätigt dem Sender, dass bezüglich des Wahlverhaltens “viele Gespräche stattgefunden haben zwischen den Ratsmitgliedern der CDU-Fraktion mit der AfD-Fraktion.” Gegenüber Report Mainz stritt die CDU-Fraktion solche Absprachen jedoch ab.

Gohrisch

Im Gemeinderat von Gohrisch (Sachsen) bildeten zwei von der CDU aufgestellte Ratsmitglieder (die jedoch nicht CDU-Mitglieder sind), ein von Grünen und ein von der AfD aufgestellter Rat eine gemeinsame Fraktion. Die Verbände von CDU und Grünen distanzierten sich von diesem Vorgehen.

Mittelsachsen

Im Kreisrat des Kreis Mittelsachsen erhielt ein AfD-Kandidat in der Wahl für ein Planungsgremium doppelt so viele Stimmen wie die Fraktion Mandate hält. SPD-Kreisrat Dirk Neubauer vermutet, dass mehrere CDU-Abgeordnete den AfD-Mann unterstützten.

Zwickau

Bei der Besetzung des Verwaltungsrates der kommunalen Sparkasse in Zwickau (Sachsen) zog die CDU-Fraktion ihren Kandidaten zurück, um stattdessen den AfD-Mann zu unterstützen.

Pirna

In Pirna (Sachsen) sprachen sich CDU, AfD, Freie Wähler und die Fraktion »Pirna kann mehr« vorab über die Verteilung von Posten ab, zu Lasten von Linken, SPD und Grünen.[5]

Die aufgezählten Fälle, die ganz überwiegend aus ostdeutschen Bundesländern berichtet werden, haben zu öffentlichen Diskussionen mit und innerhalb der CDU geführt. So bekräftigte Mike Mohring für die CDU Thüringen, dass Kooperationen seiner Partei mit der AfD auch auf kommunaler Ebene ausgeschlossen seien. Aus der Bundesebene der CDU wurde angekündigt, gegebenenfalls würden Maßnahmen nach Statut und Parteiengesetz durchgesetzt. Dies ist allerdings nicht möglich, wenn die handelnden Personen – wie z.B. die Mitglieder der CDU-Fraktion in Eilsleben – nicht CDU-Mitglieder sind. Die Linke in Sachsen-Anhalt warf dem Landesvorstand der CDU Führungsschwäche vor. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen in Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, forderte auf Twitter: „Die Partei muss sich in Sachsen-Anhalt und im Bund an ihrer eigenen Beschlusslage messen lassen.“[6]

Fußnoten

  1. Die Welt, AKK schließt Arbeit mit der AfD aus – In Penzlin handeln sie anders, 24.06.2019; siehe auch Deutschlandfunk: „Keine weitere Zusammenarbeit mit der AfD“, Interview mit Wolfgang Waldmüller, Generalsekretär der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, 26.06.2019
  2. Berliner Morgenpost, Ehepaar bildet nun offiziell CDU-AfD-Fraktion im Gemeinderat, 05.09.2019; Spiegel, “Was mein Mann und ich machen, ist gelebte Demokratie”, 06.09.2019; Süddeutsche: Fraktion mit AfD: Parteigericht schließt CDU-Politikerin aus, 22.10.2019
  3. hessenschau, Rechtsextremist von CDU, SPD und FDP zum Ortsvorsteher gewählt, 08.09.2019; Frankfurter Rundschau: NPD-Ortsvorsteher Jagsch kündigt Klage gegen Abwahl an, 23.10.2019, mit umfassender Chronologie der Ereignisse
  4. Süddeutsche Zeitung: Mohring: Keine Kooperationen der CDU mit der AfD, 11.09.2019
  5. Neues Deutschland, Die Basis bastelt an Schwarz-Blau, 10.09.2019
  6. Berliner Morgenpost, Kooperation mit AfD in Kommunen bringen Unruhe in die CDU, 11.09.2019; Süddeutsche Zeitung: Zusammenarbeit von CDU in Eilsleben mit AfD-Mann beendet, 11.09.2019

Quellen

Alle genannten Ereignisse ohne gesonderte Quellenangabe sind einer oder mehreren der folgenden Quellen entnommen:


Quelle des Artikels: Heinrich-Böll-Stiftung e.V. – Kommunalwiki. Der Inhalt ist verfügbar unter der Lizenz Creative Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“, sofern nicht anders angegeben.

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