Ganderkesee (fs) – Im Juli vergangenen Jahres forderte ein Politiker der AfD in Sachsen-Anhalt lautstark die Entlassung eines Opernintendanten, da dieser aus Sicht der rechtsextremistischen AfD die Willkommenskultur zu sehr pflege. Und dann viel der unmögliche, verachtende Satz: “Dann muss die ganze Willkommenspropaganda aus dem Spielplan.” Dieser Fall und weitere Beispiele zeigen deutlich auf, wo die parlamentarischen Rechtsextremisten mit ihrer Kulturpolitik hin wollen.
Baden-Württemberg: Ausländische Mitarbeiter an deutschen Bühnen
Schon einige Monate lag eine Kleine Anfrage zurück, als im letzten Jahr im Landtag von Baden-Württemberg eine erneute Diskussion zu eben dieser Kleinen Anfrage entfachte. Die AfD im Landtag forderte vom für Kultur zuständigen Ministerium, dass man doch die Staatsangehörigkeiten der ausländischen Mitarbeiter sowie die ausländischen Studierenden an den Bühnen und in den Orchestern des Bundeslandes künftig aufliste.
Der Intendant des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe, Peter Spuhler, sagte daraufhin gegenüber der Presse sehr diplomatisch:
Ganz ungeheuer fragwürdig und auch mit einer rassistischen Tendenz, die ich darin lese. Das ist also meine persönliche Interpretation, aber ich glaube, damit bin ich nicht alleine.
Spuhler macht sich seither und völlig zurecht Sorgen um die kulturelle Vielfalt in Baden-Württemberg. Eine solche Anfrage richte sich in seinen Augen ganz eindeutig gegen diese Vielfalt.
Dabei ist es natürlich mal wieder nicht so wie die Allgemeinheit mit ihrem gesunden Menschenverstand denkt: Rainer Balzer aus der baden-württembergischen Landtagsfraktion der Rechtsextremisten erklärt die Anfrage einfach mit den Sorgen, die sich seine Fraktion um die Nachwuchsförderung in Deutschland mache.




























Es ist uns seit Jahren bekannt, aber halt bisher nur durch Beobachtung, durch mehr gefühlte Beobachtungen. Wenn Sie in ein Ballett gehen: Dass es praktisch überhaupt keine deutschen, also männlichen Ballett-Tänzer mehr gibt. Es gibt keine Jungs – das weiß ich aus der Schule, aus meiner Zeit als Lehrer: dass es keine jungen Männer mehr gibt, die vernünftig singen.
Rainer Balzer (AfD) im Landtag von Baden-Württemberg
Natürlich handelt es sich hierbei um eine vorgeschobene Erklärung. So sehen es auch die Kulturschaffenden in Baden-Württemberg. In der Tat ist es ja so, dass wenn es der rechtschaffenden AfD wirklich um die Nachwuchsförderung gegangen wäre, man diese ja auch hätte erfragen können. So ist es nicht mehr wie eine – wieder einmal – rassistische Provokation. Ein Blick in andere Bundesländer genügt, damit deutlich wird, was die AfD sich unter Kultur vorstellt. Zumindest wenn es nach ihr ginge.
Wie die Oper in Halle einen zukunftsträchtigen Intendanten verliert
Der kulturpolitische Sprecher der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, ist ein eindeutiger Fan der deutschen Romantik. Öffentlich wettert er immer wieder gegen den Intendanten der Oper in Halle (Saale), Florian Lutz.
Ich schlage vor: Florian Lutz wird entlassen. Als Nachfolge wird ein Charakterkopf vom Format eines Attila Vidnyánsky gesucht. Dann muss die ganze Willkommenspropaganda aus dem Spielplan.
Kulturpolitischer Sprecher der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider

































Der als Vorbild für die rechtsextreme AfD dienende Attila Vidnyánszky ist der derzeitige Intendant am Nationaltheater von Budapest. Persönlich von Viktor Orbán dorthin gehoben. Die Sprache von Vidnyánszkys Theater ist eindeutig nationalromantisch. Und damit trifft er nicht nur den Geschmack von Orbán, sondern auch vom glühenden Verehrer Tillschneider.
Doch dieses hat auch eine bittere Ironie für das Kulturleben von Halle, denn die Forderung nach der Entlassung von Florian Lutz, der für seine modernen und innovativen Produktionen über die Grenzen von Sachsen-Anhalt hinaus bekannt ist, wurde durch die Stadtobersten von Halle erfüllt. Offiziell erklärten Halles Stadtpolitiker, dass die Entlassung ihren Grund im Besucherrückgang und in Beschwerden von Mitarbeitern findet. Doch es ist eher ein offenes Geheimnis, dass hinter der Entlassung von Lutz die Angst vor der AfD stand. Die Rechtsextremisten wurden immerhin bei der letzten Landtagswahl zweitstärkste Kraft. Lutz hat bei seiner Qualifikation natürlich ein neues Haus mit dem Staatstheater in Kassen gefunden, wo man sehr dankbar war.
AfD Bayern: Die Kultur der Landwirtschaft
Das man bei der AfD aber unter Kultur durchaus eher andere Dinge erkennt, als die Kultur selbst, dass zeigt beispielsweise das Wahlprogramm der AfD in Bayern von 2018. Dort wird viel von der Kultur gesprochen, größtenteils jedoch nur in Verbindung mit der Landschaft. Dieses zeigt deutlich, die Landwirtschaft in Bayern ist der AfD wesentlich mehr wert, als die eigentlich Kultur. Theater- oder Musikszene findet in diesem Landesverband so gut wie gar nicht statt. Dabei sollte auch die AfD in Bayern mittlerweile verstanden haben, dass Bayern ein ausgesprochen modernes KULTURland ist.
Wie schnell mischt die AfD in Thüringen in der Kultur mit?
Auch unter dem Faschisten Björn Höcke erkennt man – Gott sei Dank – den wichtigen Wert der Kultur nicht. Eine direkte Kultur-Agenda sucht man bei den Rechtsextremisten in Thüringen vergebens. Doch das hätte sich auch ändern können. Beispielsweise in der altehrwürdigen Goethe-Stadt Weimar. Nach der Geschäftsordnung steht hier jeder Stadtratsfraktion ein Ausschuss-Vorsitz zu. Nach dieser Logik stünde dann der Kulturausschuss der kleinsten Fraktion zu, also somit der AfD. Für die anderen Fraktionen galt die Kultur hier anscheinend nicht als wichtig.
Für den Touristenmagneten Weimar, nicht nur für Klassik und Bauhaus bekannt, sondern auch für das Konzentrationslager Buchenwald, wäre ein Vorsitz der AfD im Kulturausschuss ein fatales Signal.
CDU ohne “C” und ein ehemaliger Sozialdemokrat ganz dicht an der AfD
In Sachsen ist die dortige Soziokultur ein rotes Tuch für die AfD. Und so sagt diese der Kultur den offenen Kampf an. Fatal: Die Rechtsextremisten stoßen hierbei kaum noch auf Gegenwehr. In Dresden, wo es ja keine klaren Mehrheiten im Stadtrat gibt, gibt es mit der geplanten deutlichen Erhöhung des Budgets für Gleichstellung, Jugendhilfe und Kulturprojekte ein gutes und vielsagendes Negativbeispiel. Die Erhöhung des Budgets wurde in Dresden gemeinsam von der CDU, die kommunal in den neuen Bundesländern ja immer mehr ihr “C” verliert, der FDP, die sich wie im Bund nur noch an dünne Strohhalme klammert und hofft, dass das neue Braun auch ein wenig gelb ist, und den Rechtsextremisten der AfD abgelehnt.
Freiberg ist eine sehr schöne und kleine Universitätsstadt. Doch spricht man im Zusammenhang mit Freiberg weniger über Lehraufträge oder Forschungsergebnisse, sondern mehr über den parteilosen Bürgermeister Sven Krüger, der sich in kulturellen Fragen der AfD sehr nahe fühlt. Die Rechten haben die Mehrheit im Stadtrat der Kleinstadt in Sachsen. Und sie empörten sich fürchterlich über eine antifaschistische Veranstaltung im Theater von Freiberg. Eine Publizistin diskutierte dort im letzten Jahr mit einem Pfarrer zum Thema “Rechte Christen”. Moderiert wurde das ganze von einem FAZ-Journalisten. Nun gab aber im nachhinein Krüger, ehemaliger Sozialdemokrat, der so kulturbeflissenen AfD recht und untersagte kurzerhand derartige Veranstaltungen im Theater. Das Recht hierzu hat er, denn die Stadt betreibt das Theater mit.

































Das ist die Kulturpolitik der AfD
Betrachtet man also die Kulturpolitik der AfD, kann man alles schnelles in einem Leitsatz zusammen fassen: “Der Islam gehört nicht zu Deutschland”, mit ihm wird die “Ideologie des Multikulturalismus” zurückgewiesen, sie sei “geschichtsblind” und eine “ernste Bedrohung für den sozialen Frieden”.
Liebe Menschen, die es immer noch nicht verstanden haben sollten, schauen sich bitte einmal die Geschichte der Kultur unter den Nationalsozialisten an. Dann wisst ihr was die AfD will.
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