„Es ist schlimmer als wir dachten“

Sie war die erste ihrer Art in NRW. Vor anderthalb Jahren ging in Düsseldorf eine Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit an den Start, die den Schwerpunkt Antisemitismus setzte. Sie zählt zu den 13 auf Diskriminierung spezialisierten vom Land geförderten Integrationsagenturen und ist Teil der Sozialabteilung der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf. Im Gespräch mit unserer Redaktion zog das Team in seinem Büro an der Bankstraße 57 erstmals Bilanz. Die Erfahrungen der vergangenen 18 Monate zeigen aus Sicht von Antidiskriminierungsberaterin Sophie Brüss: „Es sind mehr Fälle als wir erwartet haben.“ Im Vergleich zu den anderen Servicestellen NRWs liege man beim Meldeaufkommen unter den Top drei. Genaue Statistiken wolle man nicht veröffentlichen, da sie nicht repräsentativ seien, sagt Olga Rosow, Leiterin der Sozialabteilung. Für Brüss steht allerdings fest: „Der Antisemitismus tritt auch in Düsseldorf immer offener zutage.“

Vor allem an Schulen habe sich die Situation verschärft. Mit dem Start der Arbeit ging vor anderthalb Jahren wie berichtet einher, dass mehr und mehr jüdische Schüler von weiterführenden Schulen in Düsseldorf an der Religionsschule von antisemitischen Anfeindungen berichteten. Und auch in der Zeit danach habe sich das Umfeld Schule als Schwerpunkt der Arbeit herauskristallisiert. Vor allem für Präventionsarbeit würden sich auch immer mehr Schulen öffnen. Hier bietet die Servicestelle Workshops für Klassen an, die an Führungen in der jüdischen Gemeinde teilnehmen.

Weniger offen zeigen sich laut Brüss allerdings viele Schulen, in denen es antisemitische Vorfälle gegeben habe. „Da wird viel kleingeredet und bagatellisiert. Viel zu oft zieht das Verhalten der Schüler keine Konsequenzen nach sich.“ Hier meint Brüss muslimische Jugendliche wie deutsche, auch aus gut situierten Familien. Die antisemitische Äußerung unterscheide sich da meist nur in ihrer Subtilität, die Grundeinstellung dahinter sei die gleiche.

Die Arten der Diskriminierung sind vielfältig. Besonders in Erinnerung ist Brüss ein Fall, bei dem das Gesicht eines Schülers in das Foto von einem Konzentrationslager montiert wurde, was dann in den sozialen Medien kursierte. Sehr verbreitet seien verbale Beleidigungen. Sie reichen laut Brüss von „schade, dass du damals vergessen wurdest“ bis zu „du Jude“. Die verbreitetste Form des Antisemitismus sei aktuell die israelbezogene. Als „Kindermörder Israel“ würden Schüler beschimpft, aber auch Lehrer würden Referate zum Nahostkonflikt schon mal jüdischen Schülern aufgeben, „da sie sich mit dem Thema am besten auskennen“ würden. Dabei seien das Düsseldorfer wie jeder andere. „Wir wollen niemanden an den Pranger stellen, aber wir wollen sensibilisieren.“

Antisemitismus ist für jüdische Familien alltäglich

Denn während dem Täter oft keine Konsequenzen drohten, würden jüdische Schüler oft die Schule wechseln. „Man muss verstehen, dass auch für diese Generation die Shoa sehr präsent ist und die Gefahr real, da sie von Vorfahren durchlebt wurde.“ Jedes Opfer gehe vor diesem Hintergrund anders mit Anfeindungen um, der eine ziehe sich in sich zurück, der andere wehre sich mit Gewalt. „So kam es schon zu Disziplinarverfahren gegen jüdische Schüler.“

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