Auch der schickste Flakon verwandelt den Gestank des Faschismus nicht in Wohlgeruch. Manchen Politikern dient er trotzdem als politisches Parfum.
In der Nähe von Tel Aviv gibt es Raketenalarm, unter den einfachen Leuten im Gazastreifen herrschen Wut und Verzweiflung angesichts ihrer ökonomischen Lage, und eineinhalb Wochen vor der Wahl zur Knesset ist ein neuer Waffengang zwischen dem israelischen Militär und der palästinensischen Hamas nicht ausgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund mag manchem die Aufregung künstlich erscheinen, die Ajelet Schaked unlängst mit der Wahlwerbung für ihre Partei “Die Neue Rechte” ausgelöst hat. Doch der 44-sekündige Videoclip hat es in sich. Fotografiert im Stil teurer Kosmetikreklame, will sagen: schwarz-weiß und in Zeitlupe, zeigt er die bildschöne israelische Justizministerin, wie sie ihren Schmuck anlegt, die Freitreppe eines eleganten Appartements hinabsteigt und an deren Ende zum Parfumflakon greift. Allein der Name des Dufts schimmert leicht golden – “Fascism”. Schaked drückt auf den Zerstäuber, blickt in die Kamera und befindet: “Für mich riecht es wie Demokratie.”
Worauf sich der Satz genau bezieht, bleibt erst einmal ebenso unklar wie die Frage, ob er ernst oder – was der des Hebräischen nicht mächtige Betrachter instinktiv hofft – ironisch gemeint ist. Aber dann schaltet man die Untertitelung ein und liest im zweiten Durchlauf die Übersetzung der wenigen Worte, die eine vom Piano untermalte Stimme aus dem Off in den Sekunden flüstert, bevor die anmutige Hauptdarstellerin ihr Parfum “Faschismus” auflegt.
Nun ist kein Zweifel mehr, wofür die Ministerin steht und wofür sie das Wahlvolk gewinnen will: für eine harte Hand gegenüber Kritikern der israelischen Armee und anderen zivilgesellschaftlichen Aktivisten, für die Berufung scharfer Richter und für die Beschränkung der Macht des von den Rechten für viel zu lasch und liberal gehaltenen Obersten Gerichtshofs. Am Ende dann ein Satz, der wie einst bei Carl Schmitt auf die Unterscheidung zielt zwischen Freund und Feind, und den die einen als Versprechen, die anderen nur als Drohung verstehen können: “Die nächste Revolution kommt.”
Eine “konservative Revolution” hatte, vor gut einem Jahr, auch Alexander Dobrindt angekündigt – offenbar im Glauben, abtrünnig gewordene Unionswähler mit strammen Parolen gegen eine angebliche “linke Meinungsvorherrschaft” wieder einfangen zu können. Mag sein, dass der Landesgruppenchef der CSU nicht wusste, welchen historisch hochkontaminierten Begriff er damit aufrief; erstaunlich auch, dass er als Spitzenrepräsentant einer demokratischen Partei die Revolution in Aussicht stellte. Terminologisch war Dobrindt mit seiner Wortwahl jedenfalls in den frühen Dreißigerjahren gelandet beziehungsweise bei dem aus Basel stammenden Armin Mohler. Der nämlich, in jungen Jahren ein begeisterter SS-Mann, hatte die rechtsintellektuellen Totengräber der Weimarer Republik (Jungkonservative, Nationalrevolutionäre, Völkische) in seiner 1950 abgeschlossenen Dissertation unter dem Etikett der “konservativen Revolution” zusammengefasst und verniedlicht. Heute bemühen sich die Neuen Rechten im Umkreis der AfD um die Ehrenrettung dieser Antidemokraten und um die Wiederbelebung ihres Denkens. Der enorme rhetorische Aufwand, den sie dabei betreiben, erklärt sich aus dem am Ende natürlich illusorischen Versuch einer Abgrenzung gegenüber dem real existiert habenden Nationalsozialismus.
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