Die „NSU-Monologe“ der Bühne für Menschenrechte geben am Schauspielhaus den Hinterbliebenen der NSU-Mordopfer eine Stimme und machen ihre Forderungen hörbar.
Das ist schrecklich. Das darf alles nicht wahr sein, aber es ist wahr. Der NSU-Prozess am Oberlandesgericht München ist mit der mündlichen Urteilsverkündung im Juli 2018 nicht rechtskräftig abgeschlossen, der Bundesgerichtshof wird vermutlich ab dem Frühjahr prüfen, ob eine Revision zulässig ist. Die Trauer der Hinterbliebenen dauert an. Die Aufklärung ist nach Ansicht der Bundesanwaltschaft beendet, müsste nach Ansicht der Nebenkläger jedoch weitergehen. Sie fordern: „Die These vom NSU als abgeschottetem ‚Trio‘ als beschränkende Leitlinie für die Ermittlungen muss endlich aufgegeben werden.“
Gemeint sind mit dem Trio die 2011 nach einem vermeintlichen Doppelselbstmord tot aufgefundenen Mörder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sowie die in München zu lebenslanger Haft verurteilte Beate Zschäpe. Zudem, so die Nebenkläger, müssten „die noch offenen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen bekannte Unterstützer effektiv weiterbetrieben werden.“ In München wurden lediglich vier NSU-Helfer wegen Beihilfe zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und zehn Jahren verurteilt.
Tief erschüttert von der menschenverachtenden Gewalt der NSU-Täter verließen die Zuschauer am Donnerstag das Deutsche Schauspielhaus, nachdem sie die „NSU-Monologe“ gesehen hatten, aufgeführt von der Bühne für Menschenrechte, einem bundesweiten Netzwerk politisch engagierter Schauspieler und Musiker. Das wortgetreue Dokumentartheater von Regisseur Michael Ruf erzählt unter der Überschrift „Kein Schlussstrich“ die Geschichten dreier Opfer der rechtsextremen Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund – aus Sicht ihrer nächsten Verwandten, die als Hinterbliebene ebenfalls zu Opfern wurden. Vorgetragen werden Aussagen der Ehefrauen, Töchter, Söhne und Eltern aus zu diesem Zweck geführten Interviews oder Material, dass die Betroffenen zur Verfügung stellten. Die Theatermacher erfinden nichts hinzu, verdichten die Aussagen lediglich zum Dokumentardrama. Dieses Theater verleiht den Angehörigen der Opfer eine vernehmbare Stimme.
Der ergreifende Abend ist auch: minimalistisches Theater par excellance. Die Schauspieler Aydin Isik, Vanida Karun, Elisabeth Pleß und Idil Üner verkörpern einfühlsam auf einer Bühne ganz ohne Kulissen, Kostüme oder sonstige Requisiten die Angehörigen der Mordopfer Halit Yozgat (21, erschossen am 6. April 2006 in Kassel), Mehmet Kubaşik (39, erschossen am 4. April 2006 in Dortmund und Enver Şimşek (38, erschossen am 9. September 2000 in Nürnberg). In den Erzählungen der Witwe Adile Şimşek, der Witwe Elif Kubaşik und des Vaters İsmail Yozgat werden die Ermordeten für die Zuschauer wieder lebendig, als geliebte Väter, als geliebter Sohn.
Bild: Poom!, Deutsches Schauspielhaus, Hamburg, CC BY-SA 2.0
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