Homophobie und Transphobie im Sport betrachten viele als aktuelles Problem

Die Ergebnisse der ersten EU-weiten Befragung zu den Erfahrungen von LGBTI-Personen im Sport wurden gestern durch die Deutsche Sporthochschule Köln veröffentlicht.

Über 5.500 Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und/oder intersexuelle Personen (LGBTI) aus allen 28 EU-Ländern haben an der Online-Befragung des Instituts für Soziologie und Genderforschung der Deutschen Sporthochschule Köln im Rahmen des Erasmus+ Projekts Outsport teilgenommen. Das Alter der Teilnehmerinnen liegt zwischen 16 und 78 Jahren und im Schnitt bei 27 Jahren.

Der vollständige Bericht – der direkt hier bei uns oder auf der Website www.out-sport.eu abgerufen werden kann – enthält ausgewählte Ergebnisse auf EU-Ebene und geht auf Unterschiede in Bezug auf die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sowie zwischen den fünf Projektländern Italien, Deutschland, Schottland, Ungarn und Österreich ein. Der Report bietet einen Überblick über die vielfältigen Erfahrungen von LGBTI-Personen in verschiedenen Sportdisziplinen und -umgebungen.

„Wir sind stolz auf diese Arbeit und wir sind sicher, dass die Ergebnisse von grundlegender Bedeutung für die Politik zur Bekämpfung von Anti-LGBTI-Einstellungen im Sport auf europäischer sowie auf nationaler Ebene sind”, sagt Rosario Coco, Koordinator von Outsport.

Einige der wichtigsten Ergebnisse der Studie

  • Fast 90% betrachten Homophobie und insbesondere Transphobie im Sport als aktuelles Problem.
  • 20% verzichten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität auf die Teilnahme an einem Sport von Interesse. Dies ist am häufigsten bei Trans Personen der Fall (54%) und bezieht sich hauptsächlich auf Fußball, Tanzen, Schwimmen und Boxen.
  • Ungefähr ein Drittel der Befragten, die im Sport aktiv sind, haben ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität gegenüber niemandem in ihrem Sportumfeld offengelegt. Dieser Prozentsatz ist in Italien (41%) und Ungarn (45%) höher.
  • 16% der Befragten, die derzeit sportlich aktiv sind, haben in den letzten 12 Monaten mindestens eine negative persönliche Erfahrung gemacht, die mit ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zusammenhängt. Bei Trans Personen ist dieser Anteil höher – insbesondere bei Transfrauen (46%).
  • Von denjenigen mit negativen Erfahrungen sind verbale Beleidigungen (82%) und strukturelle Diskriminierungen (z.B. ungleiche Chancen) (75%) die häufigsten Formen homo-/ transphober Vorfälle. Verbale Drohungen (44%), E-Mobbing (40%), körperliche Grenzüberschreitungen (z.B. Schubsen) (36%) und körperliche Gewalt (20%) sind ebenfalls häufige Erfahrungen.
  • Mehr als ein Drittel der Befragten kennt keine Organisation oder Person, an die sie sich wenden können, wenn sie im sportlichen Kontext diskriminiert werden.
  • Die drei Maßnahmen, die aus Sicht der Befragten am hilfreichsten bei der Bekämpfung von homo-/transphober Diskriminierung im Sport sind, sind (a) das ‚Coming Out‘ von bekannte Sportstars, (b) Anspruchsvolle Anti-Homophobie/Transphobie Kampagnen und (c) Diversity-Schulungen.

Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie werden derzeit Sportverbände und Dachorganisationen zu ihren Strategien zur Bekämpfung von homo-/ transphober Diskriminierung im Sport befragt. Die Ergebnisse dieser Teilstudie werden am 8. November 2019 auf der abschließenden Outsport-Konferenz in Budapest veröffentlicht.

Kurzes Interview mit Studienleiterin Professorin Ilse Hartmann-Tews

Frau Professor Hartmann-Tews, Sie leiten die wissenschaftliche Forschung im Rahmen des Outsport-Projekts. Warum war Ihrer Meinung nach eine umfassende Befragung notwendig und was war das Ziel dieser Befragung?

Es fehlen belastbare Befunde über die aktuelle Situation und die Erfahrungen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und/oder intersexuellen Personen (LGBTI) im Sport in Europa. Wir haben daher eine umfangreiche EU-weite Befragung durchgeführt, um die unterschiedlichen Erfahrungen von LGBTI-Personen in einem breiteren Kontext zu untersuchen. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die Entwicklung von einer Reihe von Maßnahmen, die im Rahmen des Outsport-Projekts umgesetzt werden.

Was sind die zentralen Ergebnisse? Gibt es überraschende Ergebnisse?

Sowohl Homophobie als auch Transphobie werden im Sport als große Probleme wahrgenommen. Die Mehrheit der Befragten – d.h. mehr als 80% – nehmen im Sport homo /transphoben Sprachgebrauch wahr, was aber auch auf andere Lebensbereiche wie Arbeit, Schule oder Freizeit zutrifft. Wie wir aus der internationalen Forschung wissen, diskriminiert der homo-/transphobe Sprachgebrauch nicht nur, sondern hat insbesondere für junge LGBTI-Personen schwerwiegende negative Auswirkungen. Ein weiteres zentrales Ergebnis ist, dass 16% derjenigen, die derzeit sportlich aktiv sind, in den letzten 12 Monaten mindestens eine negative persönliche Erfahrung gemacht haben. Allerdings sind es nur 8%, die einen entsprechenden homo-/transphoben Vorfall offiziell melden. Mehr als ein Drittel kennt keinen Ansprechpartner – weder eine Organisation, noch eine Einzelperson –, an den es sich in solchen Fällen wenden kann.

Wie werden Sie die Ergebnisse in die Praxis umsetzen?

Seit Beginn des Outsport-Projekts haben alle Projektpartner verschiedene Aktivitäten zur Aufklärung und zum Informationsaustausch durchgeführt, um ein Bewusstsein für Diskriminierung im Sport aufgrund der sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsmerkmale zu schaffen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Sportkulturen vielfältiger werden müssen. Wir sind bereit, Verbände, lokale Clubs, Regierungsbehörden sowie nationale und internationale Organisationen bei der Entwicklung entsprechender Strategien zu unterstützen.

Download des Berichtes

Titelbild: Deutsche Sporthochschule Köln

Über den Autor

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.