Leipzig/Ganderkesee (fs) – Jugendliche Neonazis, brutale Gewalt, undurchsichtige Nachrichtendienstler, alte Stasi-Seilschaften – und das alles komprimiert in Chemnitz. „Natürlich Chemnitz“, werden manche sagen; die Stadt, die bundesweit durch rechtsextreme Hetzjagden, militante Bürgerwehren und Neonazi-Aufmärsche in die Schlagzeilen geriet. Die ungeachtet aller „Import-Nazis“ und Gegendemonstrationen zur rechten Hochburg stilisiert wurde und nun, nachdem sich die Aufregung nicht zuletzt durch die Corona-Schlagzeilen gelegt hat, erneut gedisst wird. Wie klischeehaft!
Ja und nein, wenn man dem Autor des Polit-Romans „Modellversuch Chemnitz“, Ronald Willmann, glauben darf. „Natürlich bedient der Handlungsort Chemnitz einige Vorurteile. Doch diese sind bekanntlich nicht einfach aus der Luft gegriffen, sondern haben einen ganz realen Fakten-Hintergrund“, erklärt Willmann. Allerdings habe er den Ort seiner fiktiven Romanhandlung nicht erst als Reaktion auf die Ausschreitungen in der sächsischen Industriestadt gewählt. „Die Arbeit an dem Buch habe ich deutlich früher begonnen, zu einer Zeit, als es weder Pegida noch Pro Chemnitz oder AfD-Wahlerfolge gab. Der Handlungsort ist lediglich exemplarisch und beispielhaft gewählt. Ich wohne in der Chemnitzer Region, kenne mich in der Stadt aus und konnte deshalb die Örtlichkeiten gut beschreiben“, so der Autor weiter. Dass die realen Entwicklungen seine Ortswahl gewissermaßen untermauert haben, sei Zufall. „Die Einstellung und Denkweise der Menschen in Chemnitz unterscheidet sich nicht von der in anderen ostdeutschen Großstädten“, ist Willmann überzeugt. „Der ’Modellversuch’ nimmt Bezug auf großstädtische Sozialstrukturen und könnte genauso an anderen Orten spielen.“
Dass und warum es im Osten Deutschlands einen anderen Bezug zum Rechtsextremismus gibt, versucht der Autor in seinem Roman zu erklären. Seiner Ansicht nach sei es kontraproduktiv, die Mentalitätsunterschiede zwischen Ost und West schönzureden oder zu negieren. „Die Ursachen reichen in die Zeit einer 40-jährigen Trennung Deutschlands in zwei sehr unterschiedliche Wertesysteme zurück. Aber auch die staatliche Einheit, die nicht auf Augenhöhe stattfand, spielt dabei eine Rolle. Das lässt sich nicht durch eine rauschende Einheitsfeier und eine einheitliche Verfassung beiseite wischen“, stellt er klar. Wirft er damit nicht neue Gräben auf? „Nein“, so Willmann bestimmt. „Aber wir kommen einander auch nicht näher, wenn wir versuchen, bestehende Gräben mit Phrasen zu bedecken. Stattdessen sollten wir uns bewusst machen, warum wir manche Dinge unterschiedlich beurteilen. Daraus wächst Verständnis, und gegenseitiges Verständnis ist die Basis für eine tatsächliche Annäherung.“
Was erhofft er sich also von seinem Buch? „Ich wünsche mir, dass ’Modellversuch Chemnitz’ nicht nur als interessante Unterhaltung angesehen wird, sondern als ein Beitrag zum Verständnis und zugleich als Mahnung. Und ich hoffe darüber hinaus, dass er für die Leser eine eindringliche Geschichte erzählt, die dazu anregt, sich eigene Gedanken zu dieser Problematik zu machen.“
„Modellversuch Chemnitz“ ist am 20.04.2020 im EINBUCH Buch- und Literaturverlag Leipzig erschienen.
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