Nachtrag: Gedenkveranstaltung in Sachsenhausen für die Opfer des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma

Oranienburg/Ganderkesee (fs) – Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat am 19. Dezember 2019 mit einer Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Sachsenhausen anlässlich des 77. Jahrestages des „Auschwitz-Erlasses“ von Heinrich Himmler an die Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes an den Sinti und Roma erinnert. An der Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung nahmen auch acht KZ-Überlebende, Angehörige und Vorstände der Landesverbände des Zentralrats teil.

Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte bei einer Ansprache am Gedenkort „Station Z“: „Über Jahrzehnte wurden die Verbrechen an Sinti und Roma verdrängt oder verharmlost. Nie wieder darf von Deutschland aus eine Gefahr für Sinti und Roma, für Jüdinnen und Juden, für alle vom Naziregime Verfolgten ausgehen. Es ist unser Auftrag, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz eine klare Grenze zu setzen. Deshalb brauchen wir Erinnerungskultur und das Wissen um die Vergangenheit. Jede Geschichtsfälschung ist eine Gefahr für die Freiheit.“

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose sagte: „Der zunehmend gewaltbereite Antisemitismus wie der Antiziganismus, mit denen wir in Deutschland und in ganz Europa wieder konfrontiert sind, richten sich vordergründig gegen Minderheiten, im Kern aber auf die Zerstörung unserer Demokratie in Deutschland und in Europa. Die Erinnerung an die Verbrechen des Holocaust alleine reicht nicht aus, wir müssen in unserer Gesellschaft Verantwortung für die Gegenwart übernehmen.“

Häftlinge im Jahr 1938.

Stiftungsdirektor Axel Drecoll erinnerte nicht nur an das Schicksal des Sinto Rudolf Atsch, der im April 1940 im KZ Sachsenhausen brutal ermordet wurde, sondern auch an eine Gruppe aus Oldenburg, die in diesem Sommer auf den Spuren der eigenen Familie zur Gedenkstätte Auschwitz reiste und bei einem Aufenthalt in Oranienburg tätlich angegriffen wurde. Drecoll sagte: „Wir sind dringend dazu aufgefordert, weiterhin Wissen über die nationalsozialistischen Verbrechen zu vermitteln. Wir müssen aufklären und insbesondere die Erinnerung an das Leid, die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma und an individuelle Schicksale wie das von Rudolf Atsch wachhalten. Ebenso wichtig ist der Appell, der damit verbunden ist: Sich gegen jede Art von Diskriminierung und sprachlicher Diffamierung von Menschen zur Wehr zu setzen, wie sie gerade in jüngster Zeit und auch in den Parlamenten verstärkt geäußert werden.“

Schon bald nach der Machtübernahme begannen die Nationalsozialisten, die in Deutschland lebenden Sinti und Roma zu verfolgen. Sie konnten sich dabei auf weit verbreitete Vorurteile gegen die „Zigeuner“ stützen. Bei der Erfassung, Diskriminierung und Verfolgung der Sinti und Roma wirkten verschiedene Ämter und Dienststellen von Partei und Staat zusammen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges dehnten die Nationalsozialisten ihre gegen die Sinti und Roma gerichtete Politik auf die besetzten Länder aus. Zunächst auf dem Balkan, dann in der Sowjetunion begann das „Dritte Reich“ mit dem systematischen Massenmord an den Roma und Sinti. Mit dem vor 77 Jahren, am 16. Dezember 1942, unterzeichneten „Auschwitz-Erlass“ ordnete Himmler die Deportation von Sinti und Roma aus ganz Europa in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an – unter ihnen 10.000 deutsche Sinti und Roma aus dem damaligen Reichsgebiet. Hunderttausende Sinti und Roma fielen dem Völkermord zum Opfer.

Das KZ Sachsenhausen war in den Jahren 1936 bis 1945 für mehr als tausend Sinti und Roma ein Ort von Terror, Misshandlung und Tod. „Rassenforscher“ führten an ihnen Untersuchungen durch, um ihre angebliche „Minderwertigkeit“ zu beweisen. Diese Begutachtungen, die für viele letztlich ein Todesurteil bedeuteten, fanden in den Baracken des Krankenreviers statt. Hier wird seit 2004 in der ständigen Ausstellung „Medizin und Verbrechen“ an das Schicksal der Sinti und Roma im KZ Sachsenhausen erinnert.

Bild: nd

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