Essen/Ganderkesee (fs) – Auch sechs Jahre nach dem Genozid durch den Islamischen Staat (IS), nach Flucht und Vertreibung können die überlebenden Jesiden nicht in ihre Heimat im Norden des Iraks zurückkehren, berichtet Nadia Murat (Titelbild rechts). Der irakische Staat ist zu schwach, um die Sicherheit der ethnisch-religiösen Minderheit zu gewährleisten.
Rund 200 Besucher*innen lauschen gebannt im Karl-Schmidt-Saal der Stiftung Mercator den Worten der jungen Frau aus dem Sindschartal, die seit drei Jahren weltweit die Aufmerksamkeit auf das Schicksal des Volkes der rund eine Million Jesiden lenkt. Von ihnen leben noch immer 350.000 in irakischen Flüchtlingslagern. Wie Nadia Murad kamen weitere 200.000 Jesiden nach Deutschland und fanden Zuflucht. Die lange Dauer der Flucht bereitet Nadia Murad Sorgen: „Wenn die Jesiden tot oder in alle Winde verstreut sind, dann hätte der Islamische Staat sein Ziel erreicht“, gibt sie zu bedenken. Bislang hätten sich nur 100.000 Jesiden entschließen können, in die Heimat zurückzugehen. Sie waren insbesondere innerhalb des Iraks geflohen und sahen nach mehreren Jahren in Flüchtlingslagern dort keine Perspektive mehr.
Im Gespräch mit Journalist Ali Aslan und der Syrien-Kennerin Kristin Helberg unterstrich Nadia Murad die Notwendigkeit, dass es nach dem Bürgerkrieg in Syrien und den Gräueln des Islamischen Staats im Irak Gerechtigkeit geben müsse. Denn Täter und Opfer wohnten vielfach Tür an Tür. “Die Jesiden wollen, dass sichtbar wird, was geschehen ist”, forderte Murad nachdrücklich.






































“Nadia Murads Einsatz für die Opfer von Kriegsverbrechen ist uns eine schmerzende Mahnung, dass Begriffe wie internationale Ordnung oder Verständigung nicht abstrakt sind”, betonte Michael Schwarz, Geschäftsführer der Stiftung Mercator in seiner Begrüßung. ”In Syrien und im Irak hat das Versagen der internationalen Gemeinschaft zu unermesslichen Greueltaten geführt.” Nadia Murad war mehrere Monate in der Gewalt des IS sexueller Gewalt ausgesetzt. 45 Mitglieder ihrer Familie wurden ermordet. Statt an ihrem schweren Schicksal zu zerbrechen, begann Nadia Murad der Welt von ihrem Leid zu erzählen. Und sie fand Gehör. 2016 wurde sie UN-Sonderbotschafterin für die Würde von Überlebenden von Menschenhandel. „Es ist mein Weg, dem jesidischen Volk zu helfen.“ Mitleid möchte die 25-Jährige jedoch nicht. „Ich möchte Taten sehen“, forderte sie im vergangenen Jahr, als ihr für ihr Engagement gegen sexualisierte Gewalt in Krisenregionen der Friedensnobelpreis verliehen wurde, den sie als „immaterielle Unterstützung“ ihrer Arbeit bezeichnete.






































Mit „Nadia’s Initiative“ entstand ein Team, das Nadia Murad bei ihren weltweiten Auftritten begleitet und die Aufbauarbeit der jesidischen Heimat sowie humanitäre Projekte unterstützt. Der Verkaufserlös ihres Buches fließt den Projekten ebenso zu wie das Preisgeld des Nobelpreises. Gemeinsam mit der französischen Regierung werde derzeit ein Krankenhaus in Sindschar errichtet, berichtet Nadia Murat. „Wir haben vier Schulen wiederaufgebaut, aber es ist schwer, Lehrer zu finden“, erzählt sie mit Hinweis auf die nach wie vor prekäre Sicherheitslage in der Region. Mit der Bundesregierung erörterte Nadia Murad die Möglichkeiten, die Landwirtschaft in ihrer Heimat wiederaufleben zu lassen.
Mit dem Besuch von Nadia Murad in Essen verbunden ist auch eine Spende der Stiftung Mercator an Nadia’s Initiative. „Das jesidische Volk soll seine Träume wiedererlangen können“, formuliert Nadia Murad abschließend als Wunsch.
Bild: Peter Gwiazda/Stiftung Mercator
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Soviel Elend und der sogenannte Westen schaut wieder einmal gerne weg. Dabei ist es egal, ob Christen, Muslime, Juden oder andere Glaubensrichtungen. Solche Volksgruppen müssen einfach durch die Weltgemeinschaft geschützt werden.