Mainz/Bremen (fs) – Der Doku-Zweiteiler rekonstruiert die Zerstörung der ersten deutschen Demokratie, den Wandel von der Republik zur NS-Diktatur, zum gleichgeschalteten Führer-Staat von 1930 bis 1934. Minutiös wird dargestellt, wie nationalkonservative Strippenzieher die Nazis einzubinden versuchten, um sich selbst an die Macht zu bringen, und dabei zu Wegbereitern der NS-Diktatur wurden. Gezeigt wird auch, wie Hitler nach der Machtübernahme Gegner und Rivalen aus den eigenen Reihen beseitigen ließ, und dass der Aufstieg der Nazis keineswegs unabwendbar war, sondern erst durch eine Summe fataler Irrtümer und Entscheidungen möglich wurde.
Teil 1: Der Teufelspakt
Im September 1930, ein Jahr nach Beginn der Weltwirtschaftskrise, wird in Deutschland ein neues Parlament gewählt. Wahlsieger ist die NSDAP von Adolf Hitler. Die bisherige Splitterpartei erhält 18 Prozent der Stimmen und wird damit zweitstärkste Fraktion im Reichstag. Der Erfolg der Nationalsozialisten weckt das Interesse eines mächtigen Generals, der als politischer Strippenzieher gilt: General Kurt von Schleicher. Er ist enger Vertrauter von Reichspräsident Paul von Hindenburg und sieht in der neuen rechten Massenpartei ein Mittel, um eine autoritäre, nicht vom Parlament abhängige, Regierung rechts der Mitte zu installieren. Schleicher arrangiert für Hitler ein Treffen bei Präsident von Hindenburg. Doch der kann sich Hitler erst einmal nicht als Teil einer neuen Regierung vorstellen. Für den ehemaligen kaiserlichen Generalfeldmarschall ist der “österreichische Gefreite” Hitler ein anmaßender Emporkömmling.

Doch Schleicher gibt nicht auf. Inmitten der Weltwirtschaftskrise, in der sich der Konflikt zwischen Rechts und Links weiter verschärft, plant er eine neue, nationalkonservative Regierung, die nicht mehr vom Parlament, sondern nur vom Reichspräsidenten abhängt. Da die konservative Rechte im Parlament und in der Bevölkerung über zu wenig Rückhalt verfügt, benötigt er Hitlers Hilfe. Schleicher schlägt dem NS-Führer einen Deal vor: Er will für den Sturz der von der SPD geduldeten Regierung Brüning und Neuwahlen sorgen, wenn Hitler dafür eine neue Rechtsregierung toleriert. Schleicher will die Nazis vor den Karren der alten Machteliten spannen, doch sein gefährliches Spiel geht nicht auf.
Hitler denkt nicht daran, die neu gebildete Regierung unter Franz von Papen dauerhaft zu unterstützen. Bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 erhält die NSDAP 37 Prozent der Stimmen und stellt nun die mit Abstand stärkste Fraktion im Reichstag. Der Wahlsieger will nun selbst Reichskanzler werden. Doch der Reichspräsident hört zunächst auf einen anderen. Schleicher nutzt den Sturz des Wahlverlierers Papen, um sich selbst von Hindenburg als Kanzler einsetzen zu lassen. Er will die Nazis spalten und Teile von ihnen für seine Regierung gewinnen. Bei der erneuten Reichstagswahl Ende 1932 verzeichnet die NSDAP Einbußen. Viele Medien im In- und Ausland sehen die NS-Bewegung bereits auf dem absteigenden Ast. Hitler gerät unter Druck.
Eine weitere Intrige wird das Blatt schließlich wenden. Ex-Kanzler Franz von Papen will sich bei Schleicher, seinem Nachfolger, der ihn abgesetzt hatte, revanchieren. Er verbündet sich mit Hitler und nutzt seinen Einfluss auf Hindenburg: Der Präsident soll Hitler zum Reichskanzler und ihn, Papen, zum Vizekanzler machen. Hindenburg lässt sich darauf ein.

Am 30. Januar 1933 ernennt der Präsident Hitler zum neuen Reichskanzler. Es ist der Todesstoß für die Weimarer Republik, die Geburtsstunde des Dritten Reiches. Von Schleicher, der den Weg bereiten half, wird im Juni 1934 von einem SS-Kommando ermordet.
Sendetermin
ZDF, Dienstag, 12. Januar 2021, 20.15 Uhr
Teil 2: Tödliche Verschwörung
Als Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wird, stehen für ihn nicht etwa politische Maßnahmen zur Abwendung der Wirtschaftskrise im Vordergrund, sondern weitere Schritte zur Festigung seiner Macht auf dem Weg in die Diktatur. Seine Position als Regierungschef ist zunächst keineswegs unantastbar. Reichspräsident Paul von Hindenburg, der das Vertrauen der Armee genießt, könnte Hitler im Fall eines Konflikts oder Verfassungsbruchs wieder abberufen. Zudem haben die Nationalsozialisten noch immer starke Gegner im Parlament, vor allem Sozialdemokraten und Kommunisten. Konflikte drohen Hitler aber auch in seinen eigenen Reihen. Der mächtige SA-Führer Ernst Röhm verfolgt eigene ehrgeizige Ziele, will Chef der Reichswehr werden und fordert damit die konservativen Kreise um den Präsidenten und ehemaligen Kriegshelden Hindenburg heraus, was Hitler in Bedrängnis bringt.
Gegen ihre politischen Kontrahenten gehen die Nazis vom ersten Tag an mit Gewalt vor. Ein Zufall kommt den Nazis zu Hilfe: Als ein holländischer Kommunist Ende Februar 1933 im Reichstag Feuer legt, erklären Hitler und Göring den Brandanschlag des Einzeltäters zum Beginn eines Aufstandes von links. Noch in der Nacht machen preußische Polizisten und SA-Männer Jagd auf deutsche Kommunisten. 4000 von ihnen werden verhaftet. Auf Drängen Hitlers unterzeichnet Reichspräsident von Hindenburg eine Notverordnung, die das brutale Vorgehen rechtfertigt und Grundrechte, wie die freie Rede und das Demonstrationsrecht, aussetzt. Die sogenannte Reichstagsbrandverordnung ist der Anfang vom Ende des Rechtsstaates in Deutschland.
Schlag auf Schlag fallen die Stützen der Demokratie. Im März 1933 peitschen die Nazis ein Ermächtigungsgesetz durch den Reichstag, das Hitler freie Hand gibt, ohne Zustimmung des Parlamentes zu regieren. Bald werden alle Parteien bis auf die NSDAP aufgelöst und verboten. In den Ländern und Kommunen werden die bisherigen Amtsinhaber durch Nazis ersetzt. Nach wenigen Monaten stehen Hitlers Diktatur nur noch jene Kräfte im Wege, die zuvor mit ihm paktiert hatten, um ihn einzubinden – jene Kreise um Staatspräsident Paul von Hindenburg und aus dem Umfeld der Reichswehr.
Ernst Röhm, Hitlers langjähriger Freund und Anführer der SA ist von Hitler enttäuscht. Der einstige Berufsoffizier träumt davon, die Reichswehr zu übernehmen und aus ihr eine von der SA dominierte Volksarmee zu machen – eine Vorstellung, die für Hindenburg und seine Generäle einen Alptraum darstellt. Hitler sieht sich im Zwiespalt: Er muss sich entscheiden zwischen seinem Freund Röhm und seinen konservativen Verbündeten, die ihm immer noch gefährlich werden könnten.
Den Zwiespalt nutzen zwei Rivalen Röhms. Hermann Göring sieht den SA-Chef als Hindernis auf dem Weg zu seinem Ziel, der zweite Mann nach Hitler zu werden. Heinrich Himmler, Reichsführer SS, will nicht länger Röhm und der SA unterstellt sein. Beide schmieden ein Komplott und warnen Hitler vor einer angeblichen Verschwörung.

Ende Juni 1934 kommt es zur Entscheidung. Beim sogenannten “Röhm-Putsch” oder der “Nacht der langen Messer” werden Dutzende SA-Führer, aber auch Konservative wie der frühere Reichskanzler Kurt von Schleicher, von SS-Männern ermordet. Röhm selbst wird in einer Gefängniszelle im Münchner Gefängnis Stadelheim erschossen.
Die SA als politische und (para-)militärische Kraft ist damit ausgeschaltet, die Reichswehr und der Präsident begrüßen das radikale Vorgehen. Als Paul von Hindenburg Anfang August 1934 stirbt, übernimmt Hitler auch dessen Amt. Er hat damit sein Ziel erreicht und Deutschland in nur eineinhalb Jahren in eine Diktatur verwandelt, in der er nun als Führer und Reichskanzler über die uneingeschränkte Macht verfügt. Der Weg ist damit frei für eine Gewaltherrschaft, die in Deutschland, Europa und der ganzen Welt viele Millionen Tote kosten wird.
Sendetermin
ZDF, Dienstag, 26. Januar 2021, 20.15 Uhr
Erläuterungen von Dr. Friedrich Scherer, ZDF Redaktion Zeitgeschichte
Der Zweiteiler fußt auf der BBC-Reihe “Rise of the Nazis”, die vom ZDF für die deutsche Fassung aufwändig neu bearbeitet wurde. Im Zentrum steht zunächst der “Teufelspakt” zwischen nationalkonservativen Machteliten und gewaltbereiten Nationalsozialisten. Ihr Bündnis brachte Hitler an die Regierung. Die Dokumentation fragt: Was bewegte die Republikgegner der bürgerlichen Rechten dazu, sich mit den Nazis zu verbünden? Was konnte Reichspräsident von Hindenburg dazu bringen, den von ihm lange als österreichischen Gefreiten verachteten Hitler zum Reichskanzler zu ernennen? Und wie gelang es den Nazis unter Hitlers Führung, in kürzester Zeit aus Deutschland eine Diktatur zu machen?
Die Geschichte dieser verhängnisvollen vier Jahre erzählt die Dokumentation anhand von Schlüsselfiguren: Auf Seiten der Nationalsozialisten sind neben Adolf Hitler Hermann Göring, Heinrich Himmler und Ernst Röhm die zentralen Akteure. Bei den Nationalkonservativen General Kurt von Schleicher, Reichspräsident Paul von Hindenburg, Hitlers Vizekanzler Franz von Papen und dessen Redenschreiber Edgar Jung, der sich vom Befürworter zum Gegner Hitlers wandelte.
Das Motto “Große Männer machen Geschichte” gilt bei Historikern als überholt. Ebenso der Versuch, Geschichte hauptsächlich als Folge von komplexen Strukturen zu erklären. Im Doku-Zweiteiler “Wie kam Hitler an die Macht?” wird beides vermieden. Er konzentriert sich zwar auf wenige Hauptfiguren, die bei der Zerstörung der Demokratie und dem Aufbau der Diktatur in den Jahren 1930 bis 1934 eine Schlüsselrolle spielten. Doch die Personen stehen nicht für sich, sondern exemplarisch für das Denken und Handeln derer, die den Untergang der Weimarer Republik am entschiedensten vorangetrieben haben.
Der Blick auf ihre Motive und Taten ist nicht nur für Historiker interessant. Er gibt auch Hinweise für unsere Zeit, wie Demokratien mit ihren Gegnern umgehen sollten, was sie tun müssen, um nicht unterzugehen. Und er zeigt exemplarisch, wie schnell ein liberaler Rechtsstaat in eine Gewaltherrschaft umschlagen kann, wenn Republikfeinde sich zusammenschließen, nicht rechtzeitig gestoppt und eindeutige Warnsignale ignoriert werden.
Für die Zeitreise zu diesem verhängnisvollen Wendepunkt der deutschen Geschichte schlägt die zweiteilige Dokumentation neue Wege ein. Der Filmemacher Julian Jones hat Momente der Entscheidung in filmischen Szenen aufwändig rekonstruiert, fokussiert dabei auf das Handeln von Schlüsselfiguren, denen jeweils ein deutscher oder britischer Experte zugeordnet ist, der dazu Stellung nimmt. So wird General Kurt von Schleicher durch den deutschen Historiker Dr. Stephan Malinowski interpretiert, Adolf Hitler durch den britischen Geschichtsprofessor Sir Richard Evans, Ernst Röhm durch die Historikerin Dr. Heike Görtemaker. Die Abläufe werden auf diese Weise zunächst aus der Perspektive der Protagonisten erzählt und schließlich in ein Gesamtbild eingefügt, das veranschaulicht, wie Hitlers Aufstieg auch durch eine Summe verhängnisvoller Irrtümer und Entscheidungen möglich wurde.
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